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Akromegalie
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Definition und Ursachen
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Zu
viel Wachstumshormon lässt die Akren überproportional wachsen
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Das
Wachstum des Menschen wird durch das Wachstumshormon STH oder Somatotropin gesteuert.
Häufig wird dafür auch der englische Ausdruck growth hormon (GH)
benutzt.
Wird nach Abschluss des normalen physiologischen Wachstums
vermehrt und chronisch Wachstumshormon ausgeschüttet, so entwickelt sich das
Krankheitsbild der Akromegalie. Die Krankheit hat ihren Namen, weil die sichtbaren
körperlichen Veränderungen sich vorwiegend im Bereich der Akren abspielen. Akren ist der
medizinische Begriff für alle vom Rumpf abstehenden Körperteile wie Hände und Finger,
Füße und Zehen und im Gesicht Nase, Kinn, Augenbrauen und Jochbögen.
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Bei
Kindern kann es zu hypophysärem Riesenwuchs kommen
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Wird
noch vor Abschluss des normalen Wachstums bei Kindern und Jugendlichen vermehrt STH
ausgeschüttet, so spricht man auch von Gigantismus oder besser hypophysärem
Riesenwuchs. Dabei bleiben die normalen Körperproportionen erhalten. Erst später kann es
dann zum Krankheitsbild der Akromegalie mit ihren typischen Veränderungen der Akren
kommen. Bei einer verminderten Ausschüttung von STH im Kindesalter kommt es zum
Minderwuchs. |
Akromegalie
ist selten
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Akromegalie
ist eine seltene Erkrankung. In Deutschland leben etwa 3000 - 6000 Menschen
mit dieser Erkrankung: Jährlich erkranken daran vermutlich etwa 300 Menschen. Betroffen sind alle Altersstufen, am häufigsten aber das Alter zwischen 40 und
50 Jahren. Allerdings wird in den meisten Fällen die Erkrankung schon weit vorher
sichtbar. Vom Beginn der Erkrankung bis zur Stellung der richtigen Diagnose vergehen
durchschnittlich 7 bis 10 Jahre. |
Ursache
ist in den meisten Fällen ein Hypophysenadenom
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Der
Grund für die vermehrte Ausschüttung von STH ist in den meisten Fällen ein gutartiges
Geschwulst in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), ein
sogenanntes Hypophysenadenom. Nur in ganz seltenen Fällen ist ein bösartiges Karzinom
die Ursache. |
Zu viel oder zu wenig - die hormonellen Prozesse der Hypophyse
können durcheinander geraten
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Adenome
sind gutartige Gewebewucherungen, die z. B. von den Innenwänden von Drüsen ausgehen.
Deshalb werden sie auch häufig als Drüsengeschwulst bezeichnet. Sie bilden keine
Tochtergeschwulste aus. Adenome wölben sich vor und können wie an einem Stiel an ihrem
Ausgangsgewebe hängen. Mit zunehmendem Wachstum wird es in der betroffenen Drüse eng. Es
finden Verdrängungsprozesse statt. Der Druck auf das umliegende Gewebe nimmt immer mehr
zu und es kann zu Fehlfunktionen kommen. Die Hypophyse liegt im so genannten
"Türkensattel", einer knöchernen Nische im Schädel. Durch diese räumliche
Enge übt ein Hypophysenadenom schnell Druck auf das umliegende Gewebe aus. Es kann zu
Unterfunktionen hormoneller Steuerungsprozesse, aber auch zu Überfunktionen kommen.
Außerdem drückt der Tumor auf die Sehnervenkreuzung, die sich in unmittelbarer Nähre
der Hypophyse befindet. Das kann zu einer Verschlechterung des Sehens und zu einer
Einschränkung des Gesichtsfeldes führen.
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Krankheitsbild
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Die
Erkrankung zeigt sich in verschiedenen Bereichen
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Die
Symptome der Akromegalie entstehen durch:
- systemisch durch die vermehrte Ausschüttung von
Wachstumshormon
- lokale durch den Raum fordernden Prozess in der Hypophyse
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Hüte,
Schuhe und Ringe werden zu klein
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Die
lokalen Symptome hängen von der jeweiligen Größe des Tumors ab. Im Laufe seines
Wachstums nimmt das Tumorgewebe immer mehr Platz ein und setzt das Drüsengewebe der
Hypophyse und die umliegenden Strukturen zunehmend unter Druck. Die Beschwerden, die
dadurch entstehen sind insbesondere Kopfschmerzen und Sehstörungen. In seltenen Fällen
können sich Doppelbilder, Schmerzen oder Sensibilitätsstörungen im Bereich der
Gesichtsnerven entwickeln. |
Gelenkschmerzen,
Kopfschmerzen und vermehrtes Schwitzen sind typisch
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Der
Druck des Tumors stört auch die hormonellen Regelkreise, die der Regelung durch das
Hypothalamus-Hypophysen-System unterliegen und führt
meistens zu einer Unterfunktion von geschlechtsspezifisch wirkenden Hormonen. Dadurch
kommt es bei Männern und Frauen zu verminderter sexueller Erregbarkeit (Libido). Frauen
sind zusätzlich von Zyklusstörungen betroffen. |
Das
vermehrte Wachstum und seine Auswirkungen können viele Bereiche des Körpers und seine
Organsysteme betreffen
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Durch
die Überproduktion von Wachstumshormon ergeben sich folgende Veränderungen:
- Vergröberung der Gesichtszüge durch vermehrtes Wachstum
von Nase, Ohren, Jochbeinen, Oberkiefer und Unterkiefer, Lippen und Zunge.
- Fehlbiss (Ober- und Unterkiefer passen nicht mehr so gut
aufeinander)
- Vergrößerung der Akren der Extremitäten. Akren ist der
medizinische Begriff für alle vom Rumpf abstehenden Körperteile wie Hände und Finger,
Füße und Zehen und im Gesicht Nase, Kinn, Augenbrauen und Jochbögen. Ein Anzeichen kann
sein, dass Fingerringe, Hüte und Schuhe nicht mehr richtig passen. In
vielen Fällen kommt es durch das Wachstum zu einem
Karpaltunnelsyndrom mit Missempfindungen der ersten 3,5 Finger der
Hand und vorwiegend nächtlichen Schmerzen durch Kompression des
Medianusnerven am Handgelenk.
- Vergrößerung des Kehlkopfes und dadurch tiefe, raue
Stimme. Die Sprache wird kloßig.
- Durch das vermehrte Wachstum von Lippen, Zunge, Kiefer,
Kehlkopf und Strukturen der Nase kommt es auch zu einer erschwerten Atmung. Sehr häufig
tritt das Schlafapnoe-Syndrom
auf. Die Betroffen leiden unter nächtlichen Atemstillständen, die länger als 10
Sekunden andauern. Das macht sich durch Schnarchen bemerkbar. Diese Atemaussetzer können
bis zu 300 mal in einer Nacht auftreten. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Müdigkeit
tagsüber.
- Gelenkbeschwerden und Gelenkschmerzen hervorgerufen durch
Gelenkknorpelwucherungen und später Knorpeldegeneration mit Ausbildung von Arthrosen
- Vergrößerung innerer Organe (Viszeromegalie). Besonders
betroffen ist das Herz. Häufig zeigen sich Symptome einer koronaren Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz sowie Bluthochdruck.
- Zunahme der Hautdicke
- Vermehrte Körperbehaarung (Hypertrichose)
- Vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrose)
- Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) bei normaler Schilddrüsenfunktion
(euthyreote Struma diffusa)
- verminderte Glukosetoleranz mit Ausbildung eines Diabetes mellitus
- Fettstoffwechselstörungen
mit Erhöhung der Blutfette
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Späte
Diagnose trotz deutlicher Anzeichen
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Diese
Veränderungen treten nicht plötzlich auf. Sie entwickeln sich allmählich. Deshalb wird
die Diagnose Akromegalie oft auch erst später gestellt, obwohl schon typische
Veränderungen erkennbar sind. Manchmal dauert dieser Prozess bis zu 10 Jahre.
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Diagnostik
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Anamnese
und körperliche Untersuchung
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Zu
Beginn einer jeden Diagnostik steht das ausführliche Gespräch mit dem Arzt. Im Idealfall
handelt es sich dabei um einen Endokrinologen, der ein Spezialist für Hormonkrankheiten
und Stoffwechselstörungen ist. Die Krankengeschichte (Anamnese) gibt oft schon einige
Hinweise auf typische Veränderungen durch Akromegalie. Daran schließt sich eine
gründliche vollständige körperliche Untersuchung an. Aber erst die nachfolgenden
Bluttest und evtl. bildgebenden gerätegestützte Verfahren sichern die Diagnose. |
Der
IGF I ist deutlich erhöht
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Besteht der Verdacht auf Vorliegen einer Akromegalie wird zunächst als
Screening-Test der Serumspiegel von IGF-I (Insuline
like growth factor) bestimmt. IGF-I ist ein Hormon, das in der Leber unter
Mitwirkung des Wachstumshormons gebildet wird. Der IGF-I I ist bei einer
aktiven Akromegalie deutlich erhöht. Liegen die Werte im alters- und
geschlechtsspezifischen Normbereich, ist eine Akromegalie ausgeschlossen.
Bei erhöhten Werten besteht der Verdacht auf Akromegalie.
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Glukose-Toleranztest
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Weil aber der IGF I auch unter anderen Bedingungen
erhöht sein kann, z. B. in der Schwangerschaft, bei Magersucht oder bei
Leber- und Nierenerkrankungen, wird dann für
eine sichere Bestätigung der Akromegalie ein
Glukosetoleranztests
(OGTT)
durchgeführt. Normalerweise kommt es bei der Durchführung des OGTT zu einer völligen Hemmung des
Wachstumshormons. Bei Akromegalie aber wird durch den Test das
Wachstumshormon nicht vollständig gehemmt. Liegt der gemessene Wert für STH
(GH) über 1,0 ng/ml, so gilt eine Akromegalie als gesichert. |
Weitere Hormone prüfen
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In diesem Fall müssen auch die übrigen Hypophysenhormone, die auf Eierstöcke/Hoden,
Nebennieren und Schilddrüse wirken, in ihrer Funktion überprüft werden. |
Bildgebende
Verfahren
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Zur sicheren Diagnose, zur Darstellung der Größe und
Lage, aber auch zum Ausschluss eines Tumors, z. B. eines Hypophysenadenoms, sind
bildgebenden Verfahren sinnvoll. Dazu können eine
Röntgenuntersuchung und\oder ein Computertomografie herangezogen werden. Das aussagefähigste
bildgebende
Verfahren ist aber die Magnetresonanztomografie (MRT). Bei dieser Untersuchung, bei der mit
Hilfe von starken Magnetfeldern, Radiowellen und Computer ein detailiertes
Bild erzeugt wird, entstehen keine Strahlenbelastungen. |
Weiterführende
Diagnostik
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Neben
diesen unmittelbar ursächlichen Untersuchungen werden verschiedene Organsysteme
überprüft. Dazu gehören die Augen, das Herz und die Lunge. Zu diesem Zweck kann es
erforderlich sein, einen entsprechenden Facharzt aufzusuchen.
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Therapie
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Operationen sind die Therapie der ersten Wahl
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Die
Therapieoption der ersten Wahl ist eine operative Entfernung des Adenoms in der Hypophyse,
das die Ursache der Akromegalie ist. Früher war diese Operation meistens schwer und ein
vollständiger Erfolg nicht immer gegeben. |
Operationen sind meistens erfolgreich
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Heute
hat man Methoden entwickelt, die das Gehirn nicht schädigen. Durch einen Zugang durch die
Nase, durch das Munddach oder durch einen feinen Schnitt am Augenrand gelangt man direkt
zur Hypophyse und kann so sehr viel schonender und erfolgreicher operieren. Durch die
deutlich bessere Überwachung und Überprüfung der Operationsergebnisse noch während der
Operation kann oft auch noch Resttumorgewebe entfernt werden. Ausgeführt werden sollte
diese Operation von einem erfahrenen Neurochirurgen. Wichtig ist es auch noch zu wissen,
dass ein Hypophysenadenom kein Gehirntumor ist. Eine Schädigung von Gehirnfunktionen ist
deshalb nicht zu befürchten. |
Frühe
Diagnose erhöht die Heilungschance
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Bei
einem kleinen Tumor unter 5 mm Durchmesser besteht bei 80 bis 90 Prozent der Betroffenen
eine vollständige Heilungschance. Auch bei größeren Tumoren ist die Heilungschance noch
sehr hoch. Weil bei größeren Tumoren aber das Adenom oft nicht vollständig entfernt
werden kann, ist hier die Heilung nicht immer vollständig. Aus diesem Grund ist ein
frühes Feststellen der Erkrankung wichtig. |
Komplikationen
sind selten
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Schwere
Komplikationen treten bei dieser Operation nur sehr selten (weniger als 1 Prozent) auf,
sie können aber vorkommen. Zu diesen Komplikationen gehören z. B. Nachblutungen oder die
Ausbildung einer Hirnhautentzündung. In manchen Fällen, die aber auch selten auftreten,
erlangt die Hypophyse nach der Operation nicht mehr ihre volle Funktionsfähigkeit
zurück. Dann müssen die Hypophysenhormone vorübergehend oder sogar ein Leben lang
eingenommen werden. |
Medikamente
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Kann durch die Operation kein ausreichender
Therapieerfolg erzielt werden, so steht als Zweit-Therapie die medikamentöse
Behandlung zur Verfügung. |
Somatostatin- Analoga
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Es
gibt verschiedene Medikamente, die zur Behandlung der Akromegalie eingesetzt werden
können. Am erfolgversprechendsten ist die Anwendung von Somatostatin-Analoga oder
Somatostatin-Agonisten. Somatostatin oder Growth Hormon-Inhibitinghormon ist ein
natürliches Hormon des Hypothalamus, das die Ausschüttung des Wachstumshormons hemmt
(vgl. Funktion von Hypothalamus und Hypophyse).
Somatostatin-Analoga z. B. die Wirkstoffe Octreotid und Lanreotid besitzen die gleiche
Wirkung, sind aber synthetisch hergestellte Wirkstoffe. Heute gibt es Depotspritzen, die
in Abständen von 2 bis 4 Wochen in den Muskel gespritzt werden. Die Anwendung führt bei
75 Prozent der Betroffenen zu einer Senkung der Wachstumshormonkonzentration
um etwa 50 Prozent. Es
kommt schon sehr bald zur Besserung von Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schwellungen im
Weichteilbereich. Als Nebenwirkung können Magen-Darm-Beschwerden auftreten, die aber in
der Regel nach einigen Tagen zurückgehen. Empfohlen wird zunächst ein
Therapieversuch von 3 Monaten. Wegen des Risikos einer Gallensteinbildung
sollte etwa alle 3 Monate eine Ultraschalluntersuchung stattfinden. |
Dopamin- Agonisten
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Auch
Dopamin-Agonisten wie Bromocriptin, Cabergolin und Quinagolid senken die Ausschüttung von
Wachstumshormon. Allerdings liegt die "Erfolgsquote" hier nur bei etwa 30 bis 50
Prozent der Betroffenen. Eine Besserung von Beschwerden wird aber bei 70 Prozent erreicht. |
Wachstumshormon- Rezeptorantagonist
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Für Betroffene, bei denen mit den genannten Medikamenten
kein ausreichender Therapieerfolg erzielt werden konnte, kommt der Wachstumshormon- Rezeptorantagonist (Pegvisomant)
in Betracht. Dieser
neuartige Wirkstoff unterdrückt nicht die Ausschüttung von Wachstumshormon,
sondern er belegt die
gleichen Rezeptoren wie das Wachstumshormon und blockiert so dessen Wirkung. Auf diese
Weise wird, das zeigen bisherige Studien, bei 95 Prozent aller Betroffenen eine Normalisierung
der IGF-I Konzentration erreicht. Beschwerden, wie Kopfschmerzen,
Gliederschmerzen, Weichteilschwellungen und vermehrtes Schwitzen gehen
zurück. Da die Therapie möglicherweise eine Vergrößerung des Tumors bewirken
kann, ist eine regelmäßige MRT-Kontrolluntersuchung notwendig. |
Strahlentherapie
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Wenn die genannten Therapiemaßnahmen nicht zum
gewünschten Erfolg führen, ist die Strahlentherapie die dritte
Therapieoption. Durch Bestrahlung kann die Wachstumshormonkonzentration nur
um 10 Prozent pro Jahr gesenkt werden. Nur bei 35 bis 55 Prozent der
Betroffenen ist mit dieser Therapie nach 10 Jahren mit einer Normalisierung
der Werte zu rechnen. Dieser lange Zeitraum muss mit einerzusätzlichen
medikamentösen Behandlung überbrückt werden. Eine häufige Nebenwirkung (über
50 Prozent) ist das Auftreten einer Unterfunktion der Hirnanhangsdrüse, die
auch noch Jahre nach der Bestrahlung in Erscheinung treten kann. |
Kontrollen
sind notwendig
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In
allen Fällen muss die Therapie und der Verlauf ständig kontrolliert werden. Auch wenn
die Therapie erfolgreich war, ist eine Kontrolle sinnvoll, um ein mögliches
Wiederauftreten der Erkrankung frühzeitig zu entdecken.
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