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Epilepsie


Epilepsie in der Geschichte

Inhaltsübersicht:
Dämonologie und Trepanation
Epilepsie im Altertum
Epilepsie im Mittelalter
Epilepsie in der Neuzeit

 

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Dämonologie und Trepanation

 

Spannender als jede Krankenhausserie. Heute weiß man, daß Epilepsie als Erkrankung schon seit sehr langer Zeit bekannt ist. Von Geistern und Dämonen besessen oder Folge von Zank und Streit. Die Ursachen der Epilepsie wurden, je nach Epoche und vorherrschendem Medizinkonzept und Religion unterschiedlich gesehen. Das machte sich auch bei der Behandlung bemerkbar. Eine kurze Beschreibung der vorherrschenden Meinungen  ist spannender als jede Krankenhausserie.

 

Von Dämonen und Geistern besessen. Lange Zeit vorherrschend ist das medizinische Konzept der Dämonologie. Die Dämonologie, die schon 2000 v. Chr. zu finden ist, führt alle Krankheiten, die keine äußerlich erkennbare Ursache haben, auf den Eingriff von übernatürlichen Wesen, Dämonen und Geistern zurück. Der Mensch kann einer solchen Krankheit nur vorbeugen, indem er sich an die geltenden religiösen Gesetze und gesellschaftlichen Regeln hält. Dann ist er vor einer solchen Erkrankung sicher.

 

Böse Geister mußten ausgetrieben werden. Ist ein Mensch erst einmal von einem Dämon besessen, so gilt er als unrein und ansteckend. Die Krankheit ist Ausdruck des Zorns der Götter, denn sie hat ja keine sichtbare Ursache. Der Kranke muß eine gesellschaftliche oder religiöse Regel verletzt haben, auch wenn ihm dies nicht bewußt ist. Er wurde von seinem "Schutzgeist" verlassen. Eine Hilfe bietet der Exorzismus (Austreibung) des bösen Geistes. Nur wenn die Austreibung gelingt, kann der Kranke wieder gesund werden.

 

Durch ein Loch im Schädel konnte der böse Geist entweichen. Neben der Austreibung war die Trepanation eine beliebte Behandlungsmethode. Dabei wurde der Schädel des Betroffenen geöffnet. Durch Schädelfunde konnten bisher 4 verschiedene Methoden zur Öffnung der Schädelhöhle nachgewiesen werden:
  • Aufbohren
  • Allmähliches Aufschaben der Schädelknochen
  • 4 gerade Schnitte (Inzision)
  • kreisförmiger Einschnitt

 

Trepanation als Weiheritus? Solche Schädelfunde gehen bis ca. 6000 vor Chr. zurück. Warum eine Schädelöffnung stattfand, läßt sich nicht eindeutig belegen. Noch heute praktizieren Naturvölker Schädelöffungen bei chronischem Kopfschmerz. Im 19. Jahrhundert hat der französische Hirnforscher Paul Broca die These aufgeführt, bei den Schädelöffungen handele es sich um eine Art Weiheritus, wie z. B. die Tonsur bei Priestern. Später glaubte er, daß Besessene (Epilepsiekranker) von bösen Geistern befreit werden sollten.

 

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Epilepsie im Altertum

 

Rechtsvorschriften für Ärzte. König Hammurapi von Babylon (1728-1686 v. Chr.) erließt in seinen Gesetzestexten ("Kodex Hammurapi") auch Rechtsvorschriften für Ärzte. Darin finden sich Hinweise auf bekannte Krankheiten. In Paragraph 278 heißt es, daß ein Sklave, den vor Ablauf eines Monats die "bennu-Krankheit" befällt, zurückgegeben werden kann. Die "bennu-Krankheit" ist wahrscheinlich eine Bezeichnung für Epilepsie oder Fallsucht. Von ihr betroffene Sklaven waren für ihre Herren wertlos.

 

Epilepsie als Ausdruck entsteht in der hippokratischen Zeit. Vor der hippokratischen Zeit, die von 500-1 vor Chr. angesiedelt wird, gilt die Epilepsie allgemein als Ausdruck für Besessenheit, bzw. Dämonologie. Während der hippokratischen Zeit wird in einer hippokratischen Schrift erstmals das Wort Epilepsie in direkter Verbindung mit einem Anfallsleiden gebraucht. (Epilepsie, abgeleitet von dem griechischen Wort epilambanein=heftig ergreifen, zupacken).

 

Einige Namen für Epilepsie. Der Epilepsie wurde im Laufe der Geschichte viele Namen gegeben, u. a.:
  • orbus insputatus,
  • scelestis,
  • lunaticus,
  • daemoniacus,
  • böse Staupe,
  • Gichter,
  • Fraislein,
  • Fallsucht.

 

Blut von Gladiatoren. In der römischen Antike wird vom römischen Schriftsteller Plinius (23-79) das Trinken von Gladiatoren-Blut gegen Fallsucht als pharmazeutische Behandlung beschrieben.

 

Theriak des Andromachus. Um 60: Der Leibarzt des römischen Kaisers Nero Andromachus stellt ein Allheilmittel zusammen, das er Theriak (griechisch therion=wildes Tier) nennt. Der Theriak ist ein alchemistisches Heilmittel und enthält zwischen 12 und 64 Substanzen, u. a. Opium, mineralische Substanzen, große Mengen Meerzwiebeln und Vipernfleisch. Er wird gegen nahezu jede Krankheit eingenommen, auch gegen Epilepsie. Für die einzelnen Krankheiten gibt es genaue Dosisvorschriften. Noch im 19. Jahrhundert findet sich der Theriak des Andromachus in abgeänderter Form in vielen Arzneibüchern.

 

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Epilepsie im Mittelalter

 

Anrufung der Heiligen sollten den Epilepsiekranken helfen. Im Mittelalter gilt die Epilepsie als Ausdruck von bösen Geistern und/oder als schedelnde Gottesstraf (schüttelnde Gottesstrafe). Verschiedene regional unterschiedliche Heilige wurden angerufen, um bei der Heilung zu helfen. Aus diesem Grund finden sich für Epilepsie auch Namen wie:
  • St.-Veltins-Weh,
  • St.-Johannes-Übel,
  • St.-Cornelius-Siechtum,
  • St.-Paul´s disease (Irland).

 

Wegbrennen und Verätzen - Epilepsie als "feuchte" Krankheit mußte "ausgetrocknet" werden. 900-1000: In dieser Zeit findet erneut die Kauterisation als heilende Maßnahme Anwendung. Die Kauterisation, das Wegbrennen oder Verätzen von Gewebe, beruht auf dem antiken Grundsatz, daß eine Krankheit mit entgegengesetzten Mitteln zu heilen sei (contraria contrariis corantur). So wird z. B. das heiße, trockene Feuer bei kalten und feuchten Krankheiten angewandt, um die feuchte Säftemischung auszutrocknen. Diese Maßnahmen kommen auch bei der Epilepsie zum Einsatz.

 

Diamant als Therapie gegen Fallsucht und Mondsüchtigkeit. 1100-1200: Alle Faktoren, die an der Entstehung und am Verlauf einer Krankheit beteiligt sind, sind Folge des Sündenfalls. Körperliche und geistige Leiden sind die Konsequenz aus der Übertretung der göttlichen Gebote. Bei der Behandlung gibt es Medikamente aus Mineralien und Tieren und einen großen Anteil an pflanzlichen Mitteln. Hildegard von Bingen, Äbtissin des Benediktinerinnenklosters auf dem Rupertsberg bei Bingen, beschreibt die Therapie von Diamant gegen"...Spinnenweben und Schlangengift, gegen Fallsucht (Epilepsie) und Mondsüchtigkeit, bewahrt das Haus vor Dieben und schenkt seinem Träger Tüchtigkeit, Verstand und Weisheit in der Rede."

 

Magische Behandlungsriten sollen die Fallsucht vertreiben. 1533 erscheint das Werk "De occulta philosophia sive de magia" des Alchimisten Agrippa von Nettersheim (1486-1535). In diesem Werk wird die Fallsucht dem Tierkreiszeichen des Widders zugeordnet und es wird eine magische Behandlung empfohlen. Typisch für die magische Behandlung sind Riten, wie sie insbesondere in der Volksmedizin angewandt werden. Sie müssen zu bestimmten Zeiten (z. B. Vollmond, Mittag) oder an bestimmten Orten (Friedhof, Waldlichtung) durchgeführt werden und wirken auch aus der Entfernung. Dabei tritt die Heilwirkung aber erst ein, wenn das angewandte Kraut in der Erde verwest ist. Agrippa empfiehlt bei Epilepsie als einfache Heilmittel Seerose, Steinklee, Bürzelkraut, Diktam, Betonie, Lavendel.

 

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Epilepsie in der Neuzeit

 

Epilepsie als Ausdruck von Zank und Zorn. Um 1750 veröffentlicht der herzogliche Hof- und Leibarzt Johann Storch Krankengeschichten seiner Patientinnen in einem achtbändigen Werk "Von Weiberkranckheiten". Darin wird Epilepsie als Ausdruck von Zank und Zorn in verschiedenen Beispielen angeführt.

 

Fallbeispiele: "Im Januar 1723 kommt eine 50jährige Frau mit einem "vornehmen Mieth-manne in Zanck, und wurde von selbigem am Arme zur Thier (Tür) heraus geführet, und darüber machte sie sich solchen Verdruß, daß ihr Arme und Beine zitterten, und bei sich beymischender Cardialgie (Schmerzen in der Herzgegend) einen Krampf in Händen und Füßen bekam ... (so) mußte sie den Gift bey sich behalten, den sie sonst auszuschütten sich vorgesetzt hatte ... Eines Bauern Tochter, von 19 bis 20 Jahren, wird 1737 an einen Baur-Kerl, 2 Meilen von ihren eltern verheyrathet. Nachdem sie nun 4 und einen halben Monat sich schwanger befindet, geräth sie mit ihrem Manne und dessen Eltern in einen heftigen Zanck, und lauft mit erboßtem Gemüthe und zitternden Gliedern zu ihren Eltern. Am nächsten Tag hat sie einen "Abgang" (Fehlgeburt)." Quelle: Die Chronik der Medizin, 1993.

 

Epilepsie ist ansteckend. Im 19. Jahrhundert wurden die Epilepsiekranken von den Irren getrennt, weil man eine Ansteckung befürchtete.

 

Menschen mit athletischem Körperbau besitzen einen Hang zur Epilepsie. 1921 erscheint das Hauptwerk des Psychiaters Ernst Kretschmer, in dem er die klassische Einteilung der Menschen in verschiedenen Körperbautypen und eine entsprechende charakterliche Zuordnung vornimmt. Nach Kretschmers Konstitutionslehre ist der Pykniker breitwüchsig und gedrungen und neigt zum Fettansatz. Dieser Typ hat ein "zyklothymes" Temperament und weist Beziehungen zum manisch-depressiven Krankheitsbild auf. Beim Leptosomen ist der Körper schmal gebaut und er neigt zur Schizothymie. Der athletische Typ ist breitschultrig und muskulös und besitzt einen speziellen Hang zur Epilepsie.

 

Die technologische und wissenschaftliche Entwicklung macht erst nach 1920  allmählich eine wirksamere Behandlung der Epilepsie möglich. Heute führt eine fachgerechte Behandlung in vielen Fällen zu völliger Anfallsfreiheit.

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