| |
|
Kongressbericht: Deutscher Schmerzkongress 1998 |
|
Schmerz
im Alter besser erforschen |
|
Expertengruppe
der DGSS legt Expertise vor |
siehe
auch "Vernachlässigte Schmerztherapie" |
Mindestens
ein Viertel der älteren Menschen in der westlichen Welt werden von ständigen oder immer
wiederkehrenden Schmerzen geplagt. Aber sie erhalten nur unzureichende medizinische Hilfe.
Darum meldet eine Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
(DGSS) dringenden Forschungsbedarf an. |
|
In
einem aktuellen umfangreichen Bericht beschreibt eine neunköpfige Expertengruppe der DGSS
unter Leitung von Professor Heinz-Dieter Basler vom Institut für Medizinische Psychologie
der Universität Marburg den derzeitigen Wissensstand über Diagnostik und Therapie von
Schmerzen im Alter. Vor allem definieren die Forscher jene Bereiche, in denen dringender
Forschungsbedarf besteht. Nach Aussage der Wissenschaftler auf dem Deutschen
Schmerzkongress leiden in Deutschland etwa drei Millionen Menschen, die über 65 Jahre alt
sind, an chronischen Schmerzen. Degenerative Gelenkerkrankungen, dazu gehören auch
Probleme mit der Wirbelsäule, sind die Hauptverursacher der Beschwerden. Aber auch
Schmerzen bei Tumorleiden, Osteoporose, rheumatischen Beschwerden oder Gürtelrose plagen die alten
Patienten. Untersuchungen aus Skandinavien und den USA geben auch in Deutschland Anlaß
zur Sorge: Die schmerztherapeutische Versorgung der Senioren beurteilen die Fachleute als
unzureichend. ,,Zwischen 47 und 80 Prozent der älteren Bürger, die in Heimen leben,
werden gar nicht oder nicht adäquat gegen ihre Schmerzen behandelt." erläutert
Basler. |
Vorurteil
behindert Forschung |
Derzeit
sind 15 Prozent der deutschen Bevölkerung älter als 65 Jahre. Bis zum Jahr 2020 wird
sich dieser Anteil auf über 25 Prozent erhöhen. ,,Obwohl diese Entwicklung seit langem
bekannt ist, haben Schmerzexperten und Geriater die Forschung zum Schmerz im Alter bisher
vernachlässigt", kommentiert der Marburger Medizinpsychologe den Stand der
Forschung. Mitverantwortlich für diesen wissenschaftlichen Notstand ist ein weit
verbreitetes Vorurteil in den Köpfen von Ärzten und Patienten sowie deren Angehörigen:
Schmerz wird als ein unabdingbarer Begleiter des Alters empfunden und sei deshalb
schicksalhaft zu akzeptieren" beschreibt Basler die Volksmeinung. Auch Ergebnisse
experimenteller Studien, bei denen, so Basler, ,,Laborbefunde in unzulässiger Weise auf
die Versorgung übertragen wurden", haben daran ihren Anteil. Dazu gehört etwa die
Beobachtung, daß die Schmerzschwelle im Alter steigt sowie Hinweise, daß eine
Schmerzbehandlung bei älteren weniger wirksam ist als bei jüngeren Patienten. |
Studie
definiert Forschungsziele |
Mit
solchen Vorurteilen räumt die Arbeitsgruppe auf. ,,Es gibt keinerlei bedeutsame Hinweise,
daß ältere Menschen nicht in gleicher Weise wie jüngere von einer multidisziplinären
Behandlung des Schmerzes profitieren können," lautet ihr Fazit. Die bisher
vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen erlauben allerdings noch keine Bewertung
der bekannten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei älteren Menschen.
Intensive Forschungsaktivitäten sind darum nötig, um widersprüchliche Befunde etwa zum
Schmerzempfinden zu klären. Ebenso müssen medikamentöse Therapiestrategien dem Alter
gemäß angepaßt und weiterentwickelt werden. ,,Voraussetzung für die Mitarbeit der
Patienten und den Erfolg der Behandlung ist es, sich auf die spezifischen Bedürfnisse
älterer Menschen einzustellen und das Therapieprogramm entsprechend anzupassen,"
fordern die Fachleute. Deshalb haben die Schmerzexperten einen langen Fragenkatalog zu den
verschiedenen Forschungsbereichen zusammengestellt. Um zum Beispiel die
gesundheitspolitische Bedeutung des Schmerzes bei alten Menschen in Deutschland bewerten
zu können, fordert das Experten-Gremium Studien, die die Häufigkeit von
Schmerzzuständen im Alter auch hierzulande erfassen sowie deren Schweregrad und Chronifizierung bestimmen. Auch muß die Qualität
der derzeitigen medizinischen Versorgung bewertet werden. Die Fachleute empfehlen zudem
eine Analyse der Schmerzursachen. Forschungsbedarf besteht auch auf dem Gebiet der
Chronifizierungsprozesse. Fraglich erscheint den Schmerzexperten jedoch, ob es hierbei
Unterschiede zu jüngeren Schmerzpatienten gibt und ob sich spezielle Vorbeugemaßnahmen
für ältere Menschen entwickeln lassen. |
Kontakt: |
Prof.
Dr. Dr. med. Heinz-Dieter Basler Institut für Medizinische Psychologie Universität
Marburg, Bunsenstraße 3, 35037 Marburg Tel.: 06421-28-5308 (6249) Fax: 06421-28-4881
e-mail: basler@mailer.uni-marburg.de |
zurück zur Übersicht der Kongressberichte |
|
| |
|