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Kongressbericht: Deutscher Schmerzkongress 1998 |
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Schmerztherapeutische
Versorgung bei Kindern |
(s.auch
Schmerzgedächtnis bei MedizInfoSchmerzLos und den Bericht vom Deutschen Schmerztag 1999) |
Schmerzen
im Kindesalter vergißt man nicht Defizite
und Fortschritte bei der Schmerztherapie im Kindesalter |
"Schmerzgedächtnis"
vorhanden |
Wenn
Säuglinge und Kinder Schmerzen leiden, vergessen sie diese nicht und sie gewöhnen sich
auch nicht an die Pein. Eine ausreichende Schmerzlinderung im Säuglings- und Kindesalter
bei Eingriffen und Erkrankungen ist unter Experten daher unumstritten. Dennoch gibt es
Defizite: ,,Die Versorgungslage von Kindern mit Schmerzen ist zwar nicht schlecht, aber
dringend verbesserungsbedürftig.'' So lautet das Fazit der Experten auf dem Deutschen
Schmerzkongress in Düsseldorf |
Schmerz
= Streß |
Eine
noch unveröffentlichte Untersuchung amerikanischer Forscher belegt, daß Kinder erlittene
Schmerzen keineswegs wieder vergessen. Und sie gewöhnen sich auch nicht daran. ,,Vielmehr
belegen amerikanische Untersuchungen", so Dr. Renate Richter, die 1998 an der Klinik
für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen tätig war, ,,daß selbst Impfungen
bei Kindern eine Streßreaktion auslösen. Dies ist vor allem bei kleinen Jungen der Fall,
die nach der Geburt ohne Betäubung beschnitten wurden. |
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Noch
vor 15 Jahren debattierten Wissenschaftler darüber, ob Früh- und Neugeborene aufgrund
ihres noch unreifen Nervensystems bei Eingriffen Schmerzen überhaupt empfinden und darum
eine örtliche Betäubung benötigen. Diese Diskussion ist schon lange beendet. ,,Die
Notwendigkeit einer ausreichenden Schmerzlinderung bei Früh- und Neugeborenen wird nicht
mehr in Frage gestellt", konstatiert die Erlanger Kinderärztin. Die negativen
Auswirkungen einer mangelhaften Schmerzthrapie bei diesen kleinen Patienten -
Hirnblutungen, Verschlechterung der Immunabwehr, Anstieg von Streßhormonen - sind
hinreichend untersucht und bekannt. Ebenso verfügen die Ärzte über sichere
Meßverfahren um die Streßreaktion der Kinder und den Therapieerfolg zu dokumentieren. . |
Mangel
an wissenschaftlichen Studien |
Um
herauszufinden, in welchen Bereichen Forschungsbedarf besteht, hat Renate Richter die
wissenschaftliche Literatur der letzten zehn Jahre gesichtet und analysiert. Das Fazit
ihrer Bestandsaufnahme: Es fehlen multizentrische, interdisziplinäre und kooperative
Studien an Kindern. Darum ist es auch nicht verwunderlich, daß es vor allem in
Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern - kaum Zahlen darüber gibt, wie viele
Kinder an Schmerzen leiden und welche Folgen eine mangelhafte oder eine ausreichende
Schmerzlinderung langfristig haben. ,,Kinder", sagt Renate Richter, ,,stellen keinen
Wirtschaftsfaktor dar. So ist unter anderem zu verstehen, daß die Motivation zur
Datenerhebung bei Kindern deutlich geringer ist und das Problem erst jetzt von den
Kinderärzten erkannt wird." |
Untersuchungen
aus Deutschland
und anderen Ländern |
- Mehr als 93 Prozent der Jugendlichen im Alter von 15 bis
16 Jahren in Deutschland berichten, einmal im Leben Kopfschmerzen gehabt zu haben (die
Hälfte davon Spannungskopfschmerzen, elf Prozent Migräne), wobei die Häufigkeit von Kopfschmerzen im
Kindesalter insgesamt zuzunehmen scheint
- Zwei Drittel aller Kinder mit Tumoren oder Leukämie haben
zum Zeitpunkt der Diagnose Schmerzen , 89 Prozent bei einem Rückfall und 92 Prozent im
Endstadium ihrer Krankheit. Bedeutsam sind auch die Schmerzen bei diagnostischen
Maßnahmen, etwa einer Knochenmarkspunktion.
- 60 Prozent aller Kinder mit rheumatoider Arthritis leiden zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung unter Schmerzen.
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Versorgungslage:
nicht schlecht,
aber verbesserungsbedürftig |
Auch
zur Versorgungslage der kleinen Patienten existieren kaum Untersuchungen. Einige Analysen
deuten jedoch darauf hin, daß die Schmerzbehandlung nach Operationen verbessert und die
Anwendung von Opioiden intensiviert werden muß. Eine
Arbeitsgruppe ,,Pädiatrische Onkologie" hat inzwischen einheitliche
Therapieempfehiungen für die Schmerzbehandlung krebskranker Kinder erarbeitet. "Ein
entscheidender Fortschritt für diese Patientengruppe", sagt Richter, "war die
Entwicklung der retardierten Morphin, Arzneimittelzubereitungen' die ihre schmerzlindernde
Wirkung kontinuierlich entfalten." Dennoch belegen US-Studien, daß Kindern im
Krankenhaus weniger Schmerzmittel gegeben wurden als verordnet waren. ,,Der Schmerzmessung
sollte daher die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden wie der Erhebung von
Vitalparametern", fordern darum US-Wissenschaftler. |
Defizite
und Fortschritte |
Aufgrund
ihrer Untersuchung stellt Renate Richter konkrete Forderungen auf:
- Objektive Meßmethoden zur Beurteilung des Schmerzes bei
Kleinkindern, Neu- und Frühgeborenen müssen weiterentwickelt werden
- Die pharmakologische Wirkung von Schmerzmitteln im
Kindesalter muß untersucht werden
- Notwendig sind auch epidemiologische Studien in
Deutschland, die Aufschluß über Ursachen, Häufigkeit, Diagnostik und Therapie von
Schmerzen im Kindesalter geben
- Es müssen Ausbildungsmodelle für Medizinstudenten und
angehende Kinderärzte entwickelt werden. Erforderlich ist auch die Schulung von
Pflegepersonal und nicht zuletzt von Eltern. Schmerzambulanzen für Kinder sollten ebenso
wie ein ,,pain-service" etabliert werden
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Kooperationen
im Vormarsch |
Als
Fortschritt bezeichnet die Kinderärztin, daß die Patienten-kontrollierte Analgesie
auch bei Kindern ab dem Schulkindalter inzwischen etabliert ist. Darüber hinaus
kooperieren in einer DCSS-Arbeitsgruppe ,,Schmerztherapie bei Kindern" und im
DGSS-Arbeitskreis ,,Tumorschmerz" Kinderärzte, Anästhesisten, Psychologen und
Grundlagenforscher, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und um die Versorgung der Kinder
zu verbessern. |
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