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Deutscher Schmerztag 2003
13. - 15. März in Frankfurt |
Pressemitteilung Nr. 2 12. März 2003 |
Die schmerztherapeutische Versorgung den Bedürfnissen der Patienten
anpassen
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Um die Versorgung von Patienten mit schwersten chronischen
Schmerzzuständen zu verbessern, sollte ein Facharzt für Algesiologie (Schmerztherapie)
als Bestandteil eines abgestuften Versorgungskonzeptes eingeführt werden. Dies fordern
Experten auf dem Deutschen Schmerztag 2003 in Frankfurt.
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In Deutschland leiden jüngsten Schätzungen zufolge 14 Millionen
Menschen an ständigen oder immer wiederkehrenden Schmerzen: Die Pein nagt im Rücken,
bohrt in den Gelenken und Muskeln, zieht in den Eingeweiden, pocht unter der Schädeldecke
oder rast als brennender Pfeil durch den Körper. Fast eine Million Menschen ist besonders
schwer betroffen: Ihr Schmerz hat seine Schutz- und Warnfunktion verloren. Tief
eingebrannt im Nervensystem hat er biochemische und strukturelle Veränderungen in
Rückenmark und Gehirn verursacht, es hat sich ein "Schmerzgedächtnis"
gebildet. Selbst harmlose Reize lösen in solchen Fällen einen starken Schmerz aus.
Dieser ist darum kein Symptom mehr, sondern gilt als eigenständige Krankheit. Zu den
körperlichen Qualen der betroffenen Menschen kommen psychosoziale Beeinträchtigungen und
weitere Folgeschäden hinzu. Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude gehen
verloren. |
Eine ausreichende Versorgung der Patienten ist nicht gewährleistet.
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Die Behandlung stellt allerhöchste Ansprüche an die Kompetenz der
Ärzte. Zwar hat der Deutsche Ärztetag bereits 1996 die Zusatzbezeichnung "Spezielle
Schmerztherapie" eingeführt, die Ärzte aller Fachrichtungen nach einer
entsprechenden Ausbildung erlangen können. Doch eine ausreichende Versorgung der
besonders schwer betroffenen Patienten ist dadurch nicht gewährleistet. Da es ein
eigenständiges Fach Algesiologie nicht gibt, finden sich in den nach Fachgebieten
geordneten Leistungsverzeichnissen für gesetzlich Versicherte so gut wie keine
schmerztherapeutischen Leistungen. Nur einige Anästhesie-Leistungen, etwa
Nervenblockaden, sind aufgelistet. Andere wichtige Therapien fehlen: Strategien zur
Schmerzbewältigung und Schmerzdistanzierung, Austestung und Einstellung starker
Schmerzmittel, Entzugsbehandlung bei Fehlgebrauch von Analgetika oder Biofeedback.
"Solange diese Leistungen in den Verzeichnissen fehlen, erhalten Patienten im Rahmen
der kassenärztlichen Versorgung keine adäquate Schmerztherapie", kritisiert Dr.
med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des Schmerztherapeutischen Kolloquiums
DEUTSCHE SCHMERZGESELLSCHAFT e.V. und Leiter des Deutschen Schmerztages. Hinzu kommt:
Ohne Fachgebiet Schmerztherapie kann praktisch jeder Arzt chronische Schmerzpatienten
nicht nur behandeln, sondern auch für Krankenversicherungen oder Versorgungsämter
begutachten. Die Betroffenen haben kaum eine Chance, auf einen schmerztherapeutisch
qualifizierten Behandler oder Gutachter zu bestehen. |
Gestuftes Versorgungskonzept gefordert.
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Um die Versorgung aller Patienten mit chronischen Schmerzen zu verbessern
und die Entstehung chronischer Schmerzen durch eine korrekte Behandlung akuter Schmerzen
zu verhindern, fordern die Experten ein gestuftes Versorgungskonzept. Haus- und Fachärzte
mit einer Basisausbildung in Schmerztherapie sollten akute Schmerzen und Schmerzen, bei
denen eine Chronifizierung droht oder beginnt, kompetent behandeln können. Eine solche
Basisqualifikation sollte als berufsbegleitende Ausbildung von Haus- und Fachärzten
erworben werden. |
"Allgemeine Schmerztherapie" und "Spezielle
Schmerztherapie"
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Unter dem Begriff "allgemeine Schmerztherapie" sind
entsprechende Leistungen zumindest bislang in den neuen Leistungsverzeichnissen
vorgesehen, die zur Zeit diskutiert werden. Das Schmerztherapeutische Kolloquium
DEUTSCHE SCHMERZGESELLSCHAFT e.V. hat bereits entsprechende Inhalte für die Fortbildung
zu diesem "Schwerpunkt Schmerztherapie" entwickelt. Für die Behandlung von
chronischen Schmerzen und Schmerzkrankheiten, die sich einem Fachgebiet zuordnen lassen
und von diesem gelöst werden können, sollte die Zusatzbezeichnung "Spezielle
Schmerztherapie" beibehalten werden. Auch für diese Stufe "spezielle
Schmerztherapie" sehen die Leistungsverzeichnisse erstmals entsprechende ärztliche
Leistungen vor. Fachärzte für Algesiologie wären für Patienten mit einer
problematischen Schmerzkrankheit "zuständig", die aufgrund der Komplexität
ihrer Erkrankung in spezialisierten Einrichtungen behandelt werden müssen. Da ein
Algesiologe maximal 300 Patienten pro Quartal versorgen kann, schätzen die Experten, dass
in Deutschland rund 3000 algesiologische Einrichtungen für eine flächendeckende
Versorgung nötig sind. Bislang gibt es nur rund 400 solcher Spezialpraxen oder
Klinikambulanzen. |
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Schmerztherapie als Vorbild für die Medizin.
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Wie keine andere medizinische Fachrichtung haben die Schmerztherapeuten
schon vor vielen Jahren strenge Qualitätskriterien für die Qualifikation, entsprechende
Kontrollen und eine umfangreiche Dokumentation der Behandlungsverläufe etabliert. Viele
Maßnahmen, die derzeit in der Gesundheitspolitik diskutiert werden, um die medizinische
Versorgung zu verbessern, sind in der Schmerztherapie schon lange verwirklicht. "Ein
Arzt, der beispielsweise an den so genannten Schmerztherapie-Vereinbarungen
teilnimmt", erklärt der Ludwigshafener Schmerztherapeut Dr. Oliver Emrich, ebenfalls
Tagungsleiter des Deutschen Schmerztages, "muss nicht nur eine umfangreiche
Ausbildung durchlaufen, sondern jährlich seine entsprechende Qualifikation belegen." |
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Wer Schmerztherapie betreibt, benötigt eine entsprechende
Praxis-Ausstattung, muss an regelmäßigen interdisziplinären Schmerzkonferenzen und
Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen und die Krankheitsverläufe seiner Patienten sowie
diagnostische und therapeutische Maßnahmen mit standardisierten Verfahren dokumentieren.
Dies wird von speziellen Kommissionen der Kassenärztlichen Vereinigungen überprüft.
Dazu gehört auch selbstverständlich die regelmäßige Schmerzmessung, um den
Behandlungserfolg zu überprüfen. "Wenn ein Schmerztherapeut diese Anforderungen
nicht mehr erfüllt, verliert er seine Lizenz", berichtet Emrich. Inzwischen haben
die Experten das Dokumentationssystem so weiter entwickelt, dass es weitestgehend
computergestützt funktioniert. So kann der Arzt beispielsweise Schmerztagebücher
einscannen und der Rechner wertet die Eintragungen des Patienten aus und setzt sie in eine
Verlaufsdokumentation um.
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