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Deutscher Schmerztag 2003
13. - 15. März in Frankfurt |
Pressemitteilung Nr. 4 13. März 2003 |
Rückenschmerz: Sich regen bringt Segen
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Eine wirksame Schmerztherapie, Bewegung und Aktivität können
verhindern, dass Rückenschmerzen zu einem ständigen Begleiter werden. Diese Kombination
sichert auch Mobilität und Lebensqualität von Patienten, deren Schmerzen bereits
chronisch geworden sind. Das ist die zentrale Botschaft des Deutschen Schmerztags 2003.
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Sie sind tückisch, weil sie sich scheinbar einfach erklären lassen. Und
so verführten chronische Rückenschmerzen Betroffene und Ärzte allzu lange zu dem
vermeintlich naheliegenden Schluss: Wenn's im Kreuz dauerhaft wehtut, müssen Abnutzung
und Verschleiß an der Wirbelsäule die Ursache sein. Aber neben körperlichen Ursachen,
darin sind sich Experten inzwischen einig, spielen auch psychosoziale Faktoren eine
mindestens ebenso bedeutsame Rolle. Mediziner und Patienten müssen umlernen. Statt sich
automatisch und ausschließlich auf abgenutzte Bandscheiben oder geschädigte
Wirbelknochen als alleinige Quellen von Rückenschmerzen zu konzentrieren, erfordert eine
moderne Rückenschmerz-Diagnostik und -Therapie eine weitaus breitere Vorgehensweise: eine
Strategie, die sowohl biologische als auch psychische und soziale Ursachen der Schmerzen
aufdeckt. Und dies gelingt, wie neue Studien nahelegen, bei deutlich besseren
Erfolgschancen für die Betroffenen und zudem geringeren Kosten für die Gesellschaft. |
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Entscheidend für alle weiteren diagnostischen und therapeutischen
Schritte bei Patienten mit Rückenschmerzen sind nicht etwa (teure) Untersuchungen der
Wirbelsäule mit bildgebenden Verfahren wie Computer- oder Kernspintomographie, sondern
klassische ärztliche Tugenden.
- Am Anfang steht das ausgiebige Gespräch, um die Krankengeschichte (Anamnese) des
Patienten zu klären: Können andere, womöglich akut bedrohliche Ursachen wie Brüche
oder Tumoren die Schmerzen auslösen? Und liegen bei dem Kranken bestimmte Anzeichen auf
psychische oder soziale Faktoren vor, die das Risiko für lang anhaltende Chronifizierung
oder schwere Behinderung erhöhen etwa ängstliches Vermeiden von Bewegungen,
Depressionen, Probleme am Arbeitsplatz oder finanzielle Sorgen?
- Als zweiter Schritt folgt die "3-A-Diagnostik", wie sie der Halberstädter
Schmerzexperte Dr. Wolfgang Bartel nennt: Den Patienten ausziehen, anschauen und anfassen.
Mit dieser einfachen, aber wirkungsvollen Weichenstellung lassen sich frühzeitig leichte
von schweren und unklaren Fällen trennen.
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Wie immer die Diagnose "Rückenschmerz" ausfällt bei allen
Betroffenen setzen Schmerzspezialisten heute nicht nur medizinische Strategien zur
Behandlung ein. Stets berücksichtigen sie bei der Therapie auch die psychischen und
sozialen Umstände ihrer Patienten. Denn Rückenschmerzen, betont Dr. Wolfgang Bartel,
Präsident der Gesamtdeutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin e.V., "sind
vermutlich Teil eines tiefgründig gestörten Allgemeinbefindens". Deshalb gelte es,
auch das "Unspezifische" an den Rückenschmerzen zu behandeln. Und dazu zählt
neben der wirksamen Schmerzlinderung die Aktivierung der Patienten: raus aus den
Filzpantoffeln, weg vom Fernseher, Bewegung statt Flaschenbier in der Freizeit. |
Trendwende in der Therapie.
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In der Behandlung von Rückenschmerzen haben Experten in den letzten
Jahren eine klare Trendwende eingeläutet: Sie setzen bei der Behandlung nicht mehr auf
Ruhe, Schonung und passive Therapien, sondern auf Bewegung, Aktivität und
Schmerzmanagement, um eine fatale Abwärtsspirale bestehend aus Schmerz, Schonhaltung,
Dekonditionierung, noch mehr Schmerz und Depression zu verhindern. |
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"Eine gute Schmerztherapie mit verschiedenen Medikamenten, Akupunktur
oder der Transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) ist dabei die Grundlage, damit
die anderen Behandlungsstrategien Bewegungstherapie und psychologisch-
verhaltensmedizinische Methoden greifen können", betont der Göppinger
Schmerztherapeut Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des Schmerztherapeutischen
Kolloquiums Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Mit diesem multidiziplinären Ansatz
lassen sich rechtzeitig eingesetzt Chronifizierungen verhindern oder bereits
bestehende vermindern. Das belegen aktuelle Studien im In- und Ausland. Wie Professor
Heinz-Dieter Basler vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität Marburg
berichtet, existieren sowohl für Patienten mit akuten wie auch chronischen
Rückenschmerzen erprobte Konzepte. Sie ermöglichen erstens "eine auf
Verhaltensänderung zielende Beratung", welche "die Wahrscheinlichkeit einer
aktiven Mitarbeit des Patienten erhöht sowie eine angemessene Unterstützung im Prozess
der Verhaltensänderung ermöglicht". Zweitens kann ein
"Schmerz-Management" in der Fachsprache kognitive-behaviorale Therapie
genannt die "Effekte der Behandlung deutlich verbessern". |
Multidisziplinäre Therapien sind wirksam.
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Wie sich verschieden intensive multidisziplinäre Therapien im Vergleich
zur herkömmlichen rein medizinischen Behandlung auswirken, hat kürzlich eine norwegische
Forschergruppe um Holger Ursin von der Universität Bergen untersucht und
überraschende Antworten gefunden:
- Krank geschriebene Männer mit chronischen Rückenschmerzen sprechen deutlich besser auf
eine "leichte multidisziplinäre Behandlung" an. Und diese Therapie
"rechnet" sich auch ökonomisch für jeden so behandelten Patienten hätte
die norwegische Gesellschaft nach zwei Jahren einen "Nettogewinn" von 15.000
US-Dollar erzielt.
- Bei Frauen hingegen zeigte sich nur ein geringer Unterschied zwischen der
"leichten" und der "intensiven multidisziplinären Therapie" sowie der
herkömmlichen medizinischen Behandlung.
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Die "leichte" multidisziplinäre Therapie umfasste neben der
ärztlichen Untersuchung ausgiebige Gespräche mit Physiotherapeuten, Krankenschwestern
und Psychologen. Es folgte ein einstündiger Unterricht zu Themen wie körperliche
Bewegung, Lebensstil und Angstvermeidungsstrategien. Anschließend sprachen die Experten
mit jedem Patienten einzeln über dessen Situation. Nach der Schulung wurde jeder
Teilnehmer bis zu einem Jahr lang mehrfach von Mitgliedern des Expertenteams individuell
betreut. Mit einer interdisziplinären Behandlung lässt sich der Teufelskreis bei
chronischen Rückenschmerzen durchbrechen, bestätigt Professor Basler: "Zu erwarten
ist neben einer Reduktion des Schmerzes eine verbesserte Lebensqualität, die sich durch
verbesserte Befindlichkeit, Zunahme der körperlichen und beruflichen Aktivität und
gesteigerte Zuversicht sowie verringerte Depressivität nachweisen lässt."
Und dies entlastet auch die Gesellschaft. So berichtete der ärztliche Fachdienst
"The Cochrane Library" im Januar 2003: Werden Arbeitnehmer mit chronischen
Rückenschmerzen in Programmen geschult, die intensives körperliches Training mit
Verhaltenstherapie kombinieren, sinkt die Zahl der Krankheitstage gegenüber
herkömmlicher ärztlicher Behandlung im Lauf der nächsten zwölf Monate um 45. Training
allein scheint nicht zu helfen.
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Schmerzquellen entdecken und behandeln mit Minimal-invasive Verfahren.
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Auch für Patienten mit besonders schwer behandelbaren Rückenschmerzen
gibt es wachsende Hoffnung: Wenn sich Rückenschmerzen über lange Zeit als
behandlungsresistent erweisen und sich auch dann nicht bessern, wenn sie mit multimodalen
Therapiekonzepten angegangen werden, setzen fachkundige Mediziner gezielt zusätzliches
diagnosetechnisches Arsenal ein. Dazu zählen weniger die herkömmlichen bildgebenden
Verfahren, sondern neue Techniken, wie der Hamburger Arzt Dr. Bruno Kniesel erläutert.
Spezialisten können etwa mit Hilfe einer so genannten Diskographie einer speziellen
Untersuchung der Bandscheibe, bei der unter Röntgenkontrolle ein Kontrastmittel in die
Pufferscheibe zwischen den Wirbeln der Wirbelsäule injiziert wird bei etwa 30 Prozent
der untersuchten Patienten feine Risse in Bandscheiben nachweisen, die, so Kniesel,
"weder auf einer Röntgenaufnahme noch im CT erkennbar" sind. |
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Diese und weitere minimal-invasive diagnostische Methoden sind
entscheidend für die nachfolgende Therapie: "Nur wenn die Schmerzquelle durch eine
Nervenblockade unter Röntgenkontrolle eindeutig identifiziert werden kann, besteht
Aussicht, dass die nachfolgende minimal-invasive Therapie tatsächlich eine Linderung
bringt", betont Kniesel. Intensiv erprobt wird zur Zeit beispielsweise die so
genannte intradiskale elektrothermale Therapie (IDET), mit der Spezialisten
Schmerzrezeptoren im Faserring von Bandscheiben ausschalten. Bei einer gerissenen
Bandscheibe kann die Methode die Beschwerden bei rund der Hälfte der Patienten zumindest
lindern. Eine andere Schmerzursache im Rücken sind die Wirbelgelenke, die auch
Facettgelenke genannt werden. Bis zu 40 Prozent der Rückenschmerzen können bei
Rheumapatienten durch arthritisch veränderte Wirbelgelenke verursacht sein. Ansonsten
dürften diese Gelenke etwa bei 10 bis 15 Prozent der chronischen Rückenschmerzen eine
Rolle spielen. Diese Schmerzen behandeln die Experten mit einer Radiofrequenzläsion
genannten Technik. Bei dieser minimal-invasiven Methode wird ein schmerzleitender Nerv
durch eine Strombehandlung blockiert. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die
Radiofrequenzbehandlung. Die IDET wird jedoch noch nicht erstattet.
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