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Operative Schmerztherapie bei Tumorschmerzen
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Bei einer operativen Therapie zur Linderung von Tumorschmerzen werden
sogenannte palliative Eingriffe durchgeführt. Diese haben eine Linderung von
Schmerzen oder anderen Beschwerden zum Ziel und nicht die Heilung einer
Erkrankung. Palliative Eingriffe können auch bei jenen Krebspatienten sinnvoll
sein, deren Lebenserwartung nur noch wenige Wochen oder Monate beträgt. |
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Einsatzmöglichkeiten der operativen Schmerztherapie
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Wann ist eine Operation zur Schmerzlinderung sinnvoll?
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Tumorschmerzen können unter anderem in den folgenden beiden Situationen
chirurgisch gelindert werden:
- Durchdringen eines Tumors durch die Haut bis an die Körperoberfläche
(hier ist eine chirurgische "Deckung" der Tumoroberfläche möglich)
- Absiedlung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) in den Knochen, die
sich operativ entfernen lassen
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Neben einer reinen Schmerzlinderung kann ein palliativer Eingriff auch dann
sinnvoll sein, wenn
- ein Tumor zu starken Blutungen führt,
- ein Tumor den Darm oder die Atemwege einengt oder
- aufgrund von Knochenmetastasen die Gefahr von Knochenbrüchen besteht.
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Ganz besonders wichtig ist die Aufklärung des Betroffenen vor der
Operation
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Vor der Operation, deren Ziel die Schmerzlinderung, nicht aber die Heilung
vom Tumor ist, muss ein eingehendes Gespräch mit dem Betroffenen geführt werden.
Die Zielsetzung der Operation muss ihm deutlich gemacht werden. Das ist sehr
wichtig, da ansonsten die Gefahr besteht, dass ein Betroffener Hoffung in die
Operation setzt, die sie nicht erfüllen kann. Wohl aber kann diese Operation
eine erhebliche Erleichterung bedeuten. Dass muss dem Betroffenen klar werden.
Die Vorteile eines palliativen schmerzlindernden Eingriffs sind unter anderem:
- in der Regel nur kurzer Krankenhausaufenthalt
- gute Schmerzlinderung
- unter Umständen Nachlassen weiterer Beschwerden wie Geruch aus
offenen Wundflächen
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Um die Anwendungsmöglichkeit von Operationen zu
beurteilen, werden Tumorpatienten in Gruppen eingeteilt.
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Der Nutzen eines palliativen Eingriffs bei Tumorschmerzen wird meist durch
ein "Tumorboard" erörtert, dem Ärzte verschiedener Fachrichtungen angehören.
Dabei ist es hilfreich, die betreffenden Patienten einer der folgenden 5 Gruppen
zuzuordnen:
- Gruppe 1: Patienten mit einem großen, durch die Haut hindurch
wachsenden Tumor ohne Metastasen, aber mit hoher
Metastasierungswahrscheinlichkeit. Voraussetzung: die Patienten sollten einen
guten körperlichen Allgemeinzustand und einen guten Ernährungszustand
aufweisen (also nicht geschwächt und ausgezehrt sein)
- Gruppe 2: Patienten mit einem Tumor, der wiederholt an derselben
Stelle aufgetreten ist, ohne Metastasen zu bilden. Voraussetzung: gute körperliche Allgemeinzustand
und guter Ernährungszustand
- Gruppe 3: Patienten mit einem Tumor, der erstmalig oder erneut
aufgetreten ist und der operativ gut zugängliche Metastasen gebildet
hat: Voraussetzung: gute körperliche Allgemeinzustand
und guter Ernährungszustand
- Gruppe 4: Patienten mit einem Tumor, der bereits durch die Haut
hindurch gewachsen oder wiederholt an derselben Stelle aufgetreten ist
und außerdem Metastasen gebildet hat. Für die Gruppe 4 sind ein
eingeschränkter körperlicher Allgemeinzustand und ein eingeschränkter
Ernährungszustand ausreichend.
- Gruppe 5: Patienten mit einer Tumorerkrankung, in deren Verlauf sich
viele Metastasen gebildet haben, und die sich zudem in einem schlechten
körperlichen Allgemeinzustand und in einem schlechten Ernährungszustand
befinden (bis zur Auszehrung)
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Jahrelange Linderung der Beschwerden möglich
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Palliative Eingriffe sind für die ersten vier Gruppen häufig sinnvoll.
Insbesondere für die ersten drei Gruppen kann durch die Operation häufig eine
jahrelange Linderung der Beschwerden erreicht werden. Bei Krebskranken der Gruppe 5
würde eine Operation in der Regel eine zu starke Belastung darstellen. Hier
erfolgt in der Regel ausschließlich eine medikamentöse Schmerztherapie.
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Verschiedene Arten der operativen Schmerztherapie bei Tumorschmerzen
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Es gibt verschiedene Arten von Operationen, die zur Schmerzlinderung bei
Tumoren eingesetzt werden können. Je nachdem welcher Tumor und welche
Beschwerden der Betroffene hat und wie sein allgemeiner körperlicher Zustand
ist, kann die Art der Operation verschieden sein. Allgemein werden
rekonstruktive ("wiederherstellende") Verfahren, Gefäßoperationen und
traumatologische bzw. orthopädische Operationen unterschieden.
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Rekonstruktive Verfahren
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Rekonstruktive
("wiederherstellende") Verfahren sind beispielsweise bei
ausgedehnten Gewebeschäden, die durch das Tumorwachstum entstanden sind,
sinnvoll. So
kann es beim "Durchbrechen" eines Tumors durch die Haut zu Schmerzen,
unangenehmen Gerüchen und einem Flüssigkeitsverlust über die Wunde kommen.
Außerdem ist die Wund- und Hautpflege in diesem Bereich schwierig durchführbar. In diesem Fall ist es möglich, einen gewissen Teil des Tumors oder auch den
gesamten Tumor zu entfernen. Außerdem kann man den Wundbereich durch
Hauttransplantate oder sogenannte Lappenplastiken decken. Unter Lappenplastiken
versteht man die Abdeckung von Wunden durch die gezielte Umlagerung von
Hautbereichen ("Lappen").
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Abdeckung von Wunden: Lappenplastik
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Lappenplastiken sind insbesondere für folgende
Regionen beziehungsweise in folgenden Situationen sinnvoll:
- mechanisch belastete Bereiche an Amputationsstümpfen
- Hautbezirke in der Umgebung eines Stomas (künstlicher Darmausgang)
- Hautbereiche, die mit Gürtel- oder Miederbestandteilen in Berührung
kommen und so gelegentlicher Reibung ausgesetzt sind
- Freiliegen von Knochen, Nerven oder Blutgefäßen
- Eröffnung von Körperhöhlen (Bauch-, Brusthöhle) durch das
Tumorwachstum
- Fistelbildungen in den Atemwegen oder im Magen-Darm-Trakt (unter
einer Fistel versteht man eine krankhafte Verbindung, beispielsweise
zwischen Luft- und Speiseröhre)
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Rekonstruktiver Eingriff: Amputation
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Ein rekonstruktiver Eingriff kann auch in einer Amputation bestehen, wenn
sich dadurch eine palliative Tumorentfernung beziehungsweise Tumorverkleinerung
mit Beschwerdelinderung erreichen lässt. Dieses Vorgehen ist zum Beispiel bei
schmerzhaften Tumoren im Schulterbereich sinnvoll. Hier wird der Tumor im
Schulterbereich samt des Armes entfernt und der entstandene Wundbereich durch
einen Lappen abgedeckt. Der Lappen wird dabei aus dem Gewebe des Armes gebildet.
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Eine Heilung kann durch die Operation nicht erreicht werden
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Durch einen rekonstruktiven Eingriff werden die Beschwerden des Patienten
gelindert, ohne durch die Operation jedoch eine Heilung der Tumorerkrankung zu
erreichen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Patient und seine
Angehörigen durch die offene Tumorwunde nicht mehr ständig an die bedrohliche
Krebserkrankung erinnert werden.
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Der Zeitraum bis zum erneuten Auftreten tumorbedingter Beschwerden nach einer
rekonstruktiven Operation lässt sich mitunter durch eine begleitende Strahlen-
und/oder Chemotherapie verlängern.
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Gefäßoperationen bei starken Blutungen
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Gefäßoperationen sind z. B. dann sinnvoll, wenn es zu starken akuten Blutungen kommt. Mögliche Ursachen sind:
- zerfallendes Tumorgewebe, aus dem es blutet
- Zerstörung von Blutgefäßwänden im Rahmen eines Infekts
- Bestrahlung einer "Operationshöhle" mit den darin enthaltenen
Blutgefäßen
- vorangegangene Operation an Blutgefäßen mit ungenügender Abdeckung
des Operationsgebietes durch Weichgewebe
Zudem kann es insbesondere nach einer begleitenden Strahlen- und/oder
Chemotherapie in folgenden Bereichen zu akuten Blutungen kommen:
- Leiste
- Hals
- Steißbein
- Mittelfellraum des Brustkorbs
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Eine dann notwendige Gefäßoperation umfasst beispielsweise:
- Abbinden oder Verschließen des blutenden Gefäßes
- Einsetzen künstlicher Blutgefäße
- Konstruktion eines Umgehungskreislaufes (Bypass)
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Traumatologische oder orthopädische Operationen bei Knochenmetastasen
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Weitere Verfahren der operativen Schmerztherapie bei Tumorschmerzen bestehen
in traumatologischen oder orthopädischen operativen Maßnahmen. Diese
kommen bei Knochenmetastasen zum Einsatz. Die Knochenmetastasen bereiten
einerseits starke Schmerzen und können andererseits zur Instabilität der
betroffenen Knochen führen. Das geht meist mit entsprechenden
Bewegungseinschränkungen einher. Häufig betroffene Knochen sind:
- Oberschenkelknochen
- oberer Schienbeinabschnitt
- Knochen der Wirbelsäule
- Oberarmknochen
Seltener betroffen sind das Becken, die unteren Abschnitte von Armen und
Beinen, der Schädel und der Brustkorb.
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Das Vorgehen bei Knochenmetastasen orientiert sich an der
Gruppeneinteilung des Tumorboard
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Das genaue Vorgehen bei schmerzhaften Knochenmetastasen orientiert sich an
der Gruppeneinteilung zum Nutzen eines palliativen Eingriffs: Bei
Patienten der Gruppen 4 und 5 ist häufig eine Knochenstabilisierung ohne
Tumorentfernung sinnvoll. Die Stabilisierung lässt sich beispielsweise durch das
Einbringen eines Nagels erreichen. Bei den Krebskranken der Gruppen 1 bis 3 ist eine individuellere, auf den
Einzelfall ausgerichtete Operationsplanung sinnvoll. Hier könnte ein mögliches
Vorgehen darin bestehen, die Knochenmetastase vollständig zu entfernen und die
verbliebenen Knochenteile stabil miteinander zu verbinden. Bei der Abschätzung
der Stabilität ist unter anderem die genaue Lokalisation der Knochenmetastase zu
berücksichtigen. An der Wirbelsäule bedeutet eine Metastasenentfernung meist
gleichzeitig die Wirbelkörperentfernung mit künstlichem Wirbelkörperersatz. Die
anschließende Stabilisierung erfordert dann häufig den Einsatz spezieller
Stabilisierungsvorrichtungen, beispielsweise Metallstangen und -schrauben.
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