Die
Frage, wodurch Multiple Sklerose verursacht wird kann, trotz intensiver medizinischer
Forschung, bisher nicht beantwortet werden. Es wird angenommen, dass eine Vielzahl
verschiedener Komponenten zusammenkommen müssen, damit Multiple Sklerose entstehen kann.
Verschiedene
Hypothesen werden diskutiert.
Fasst
man die unterschiedlichen Ansätze zusammen, so ergeben sich drei Gruppen von möglichen
Ursachen bzw. Auslöser für Multiple Sklerose:
Umweltfaktoren, z. B. klimatische und andere geographische
Einflüsse oder die Ernährung.
Innere Faktoren, z. B. erbliche Komponenten, Störungen im
Immunsystem und Störungen im Stoffwechsel des Myelins.
Andere Faktoren, z. B. Infekte, Unfälle, psychische Belastungen,
Schwangerschaft und Geburt.
Das zeigt, wie komplex die Diskussion in diesem Bereich
ist.
Schade
ich mir oder dem Kind, wenn ich schwanger werde?
Zu
dem Aspekt der Schwangerschaft und Geburt treten immer wieder Fragen auf. Das liegt
daran, dass die meisten betroffenen Frauen sich in einem Alter befinden, in dem
normalerweise ein Kinderwunsch verwirklicht wird. Kann Frauen zu einer Schwangerschaft
geraten werden? Oder sind durch eine Schwangerschaft bei Mutter und/oder Kind schwere
Folgen zu erwarten?
Schwangerschaft
wirkt sich nicht generell verschlechternd aus.
Frauen
mit Multipler Sklerose geht es in der Schwangerschaft häufig sehr gut, obwohl durch die
Belastung eigentlich mit einem verstärkten Auftreten von Schüben zu rechnen wäre. Das
ist aber in der Regel nicht der Fall. Bei den meisten Frauen entwickelt sich die Multiple
Sklerose während der Schwangerschaft nicht anders, als das ohne Schwangerschaft der Fall
wäre.
Individuellen
ärztlichen Rat einholen.
Allerdings
muss möglicherweise kurz vor und nach der Geburt mit einer vermehrten Zahl der Schübe
gerechnet werden. Es gibt keinen Grund, generell von einer Schwangerschaft abzuraten.
Dennoch sollten an Multipler Sklerose erkrankte Frauen sich vor einer Schwangerschaft mit
ihrem Arzt beraten und so eine individuelle Entscheidung treffen, die sich an den
körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen der Betroffenen orientiert.
Multiple
Sklerose kann familiär gehäuft auftreten. Eine Erbkrankheit, bei der der Ausbruch der
Erkrankung als zwangsläufige Folge angesehen werden muss, ist Multiple Sklerose jedoch
nicht. Allerdings steigt das Risiko einer Erkrankung um ungefähr das 15fache an, wenn in
der nächsten Verwandtschaft ein Krankheitsfall vorkommt. Aber selbst dann ist das Risiko
mit 1 bis 2 Prozent immer noch als eher gering anzusehen.
Prädisponierende
Gene entdeckt.
Einige
so genannte prädisponierende Gene, welche die Erkrankungswahrscheinlichkeit für die
Multiple Sklerose erhöhen, sind mittlerweile identifiziert worden. Die Bedeutung dieser
Gene für die Auslösung der Krankheit wurde durch Stammbaumanalysen bestätigt. Jedoch
werden Krankheitsausbruch und -verlauf durch viele weitere, bisher unbekannte,
vererbungsunabhängige Faktoren beeinflusst. Daher können Krankheitsbeginn, -ausprägung
und -verlauf auch bei verschiedenen Mitgliedern ein und derselben Familie sehr
unterschiedlich sein. Zudem fand man heraus, dass das Erkrankungsrisiko für Kinder
betroffener Väter größer ist als für Kinder betroffener Mütter.
Eine
infektiöse Erkrankung könnte an der Entstehung der MS beteiligt sein.
Für
die Annahme, dass Multiple Sklerose ansteckend sein könnte, gibt es keinerlei Beweise.
Jedoch wird ein indirekter Zusammenhang mit infektiösen Erkrankungen vermutet. Aufgrund
der auf den Färöer-Inseln beobachteten Epidemie (siehe Abschnitt "Epidemiologie") wurde folgende Ereigniskette bzw. die im
Folgenden dargestellten Grundvoraussetzungen vermutet:
Es existiert eine spezielle, weit verbreitet vorkommende,
jedoch noch nicht identifizierte Infektion, "Multiple-Sklerose-Primäraffektion"
genannt.
Bei der Multiple-Sklerose-Primäraffektion handelt es sich
um eine chronisch verlaufende, im Körper des Betroffenen nicht ausheilende Infektion, die
von Mensch zu Mensch übertragen wird.
Ein kleiner Prozentsatz derjenigen Personen, die von der
Multiple-Sklerose-Primäraffektion betroffen sind, entwickeln später Symptome einer
Multiplen Sklerose.
Es ist ein länger andauernder Kontakt mit infizierten
Personen notwendig, um mit der Multiple-Sklerose-Primäraffektion angesteckt zu werden;
man geht von mindestens 2 Jahren aus.
Nur Personen in einem Alter zwischen 10 und 45 Jahren
können überhaupt mit der Multiple-Sklerose-Primäraffektion infiziert werden.
Personen, die mit der Multiple-Sklerose-Primäraffektion
infiziert wurden, sind nur so lange ansteckend, bis sie eventuell an Multipler Sklerose
erkranken (was nicht auf jeden Infizierten zutrifft, siehe oben).
Erreger
der Arteriosklerose möglicherweise auch an MS beteiligt.
Weiterhin
steht in der Diskussion, ob ein bestimmter Erreger, Chlamydia pneumoniae, ursächlich an
der Krankheitsentstehung beteiligt ist. Diese Hypothese wird dadurch unterstützt, dass
dieser Erreger auch an der Entstehung der "Arterienverkalkung" (Arteriosklerose) beteiligt ist, die wiederum
(wenn winzig kleine Blutgefäße im Gehirn betroffen sind) zur Entstehung der für die
Multiple Sklerose typischen Plaques beiträgt.
Entzündungszellen
tragen zur Gewebeschädigung bei.
Die
Plaques finden sich insbesondere in der Nähe der im Gehirngewebe verlaufenden
Blutgefäße, zudem sind in der Umgebung der Plaques bei mikroskopischer Betrachtung so
genannte Entzündungszellen zu erkennen (die möglicherweise auf den Blutgefäßen in das
Gehirngewebe "ausgewandert" sind). Diese tragen zu den bei Multipler Sklerose
auftretenden Gewebeschädigungen bei, unter anderem indem so genannte "Fresszellen" Teile der
Myelinscheide in sich aufnehmen und "verdauen". Zudem wird diskutiert, dass
spezielle Immunzellen dazu beitragen, dass einzelne Zellen des Immunsystems überhaupt aus
den Blutgefäßen in das Gehirngewebe übertreten und dieses schädigen können - dies ist
normalerweise nicht möglich und wird mit dem Begriff "Blut-Hirn-Schranke" gut
beschrieben.
Warum
es zu einer Multiplen Sklerose kommt, lässt sich bisher nicht zweifelsfrei beantworten.
Sicher ist aber, dass das Immunsystem des Körpers dabei eine wesentliche Rolle spielt.
Multiple Sklerose wird häufig als Autoimmunkrankheit
eingestuft. Bei einer Autoimmunerkrankung werden körpereigene Zellen vom Immunsystem
angegriffen und zerstört. Dazu bildet das Immunsystem gegen eigene Körperzellen Antikörper.
Erreger
verschaffen sich mit einer Tarnkappe Zutritt.
Genau
das geschieht den Nervenzellen bei Multipler Sklerose. Bei einer Entzündung kommt es zu
einer Autoimmunreaktion, wobei gezielt die Eiweiße der Myelinscheiden
angegriffen werden. Dabei ist noch unklar, welche Prozesse zur Bildung der aggressiven
Antikörper führen. Man vermutet, dass eine Infektion mit bestimmten Erregern, die schon
Jahre zurückliegen kann, dazu führt, dass das Immunsystem autoaggressive Antikörper
bildet. Diese bestimmten Erreger tragen auf ihrer Oberfläche vermutlich Moleküle, die
körpereigenen Strukturen sehr ähnlich sind. Wie eine Tarnkappe verschaffen sich die
Erreger so "Zutritt", und die gebildeten Antikörper zirkulieren im Blut.
Die
Blut-Hirn-Schranke wird überlistet.
Durch
einen auslösendes Ereignis, das bisher nicht bestimmt werden konnte, durchbrechen
schließlich diese aggressiven Antikörper die Blut-Hirn-Schranke. Die Blut-Hirn-Schranke
sorgt normalerweise dafür, dass schädigende Substanzen nicht vom Blut in das Hirngewebe
übertreten können. Aber mit der "Tarnkappe" gelingt es schließlich doch und
führt in der Folge zur den Entzündungsprozessen der Multiplen
Sklerose.
Myelin
der Nervenzelle wird gezielt angegriffen.
Die
Hypothese, dass Multiple Sklerose eine Autoimmunerkrankung ist, erklärt sich danach durch
eine Reaktionskette, die bisher nicht in allen Teilen zweifelsfrei geklärt ist. Eine
Infektion mit bestimmten Erregern führt zur Bildung von autoaggressiven Antikörpern, die
schließlich durch einen auslösenden Effekt die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dort
die Myelinscheiden der Nervenzellen gezielt angreifen.
Allgemein
kann jede Schwächung des Immunsystems einen Schub auslösen.
Neben
den krankheitsauslösenden Faktoren sind für Betroffene auch die Einflüsse von
Bedeutung, die einen Krankheitsschub auslösen. Trotz individueller Unterschiede kann es
zu Schüben kommen nach:
extremen körperlichen Belastungen,
extremen seelischen Belastungen,
starke Sonnenbestrahlung,
Fieber,
Infektionen,
organischen Erkrankungen.
Kurzfristige,
nur wenige Stunden dauernde Verschlechterungen sind nach einem Saunabesuch oder nach dem
Baden beobachtet worden.