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Deutscher Schmerzkongress 2001
03. - 07. Oktober in Berlin |
Pressemitteilung Nr. 11 4. Oktober 2001 |
Opioide wirken auch vor Ort im entzündeten Gewebe Eine neue Option
für die Schmerztherapie
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(Berlin) Immun- und Nervensystem kooperieren vor Ort bei der
Entstehung und Kontrolle von Entzündungsschmerzen. Körpereigene Opiate spielen dabei
eine Rolle. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die örtliche Behandlung mit Opioiden,
meinen die Experten auf dem Deutschen Schmerzkongress in Berlin.
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Immun- und Nervensystem sind beteiligt bei Entzündungsschmerzen.
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In den 90er Jahren entdeckten Wissenschaftler eine neue Beziehung zwischen
Immun- und Nervensystem: Beide Systeme
des Körpers wirken zusammen, wenn bei Entzündungen infolge von Gewebeschäden Schmerzen
entstehen oder kontrolliert werden müssen. |
Körpereigene Endorphine hemmen den Schmerz einer Entzündung.
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Bei Gewebeschäden wandern Immunzellen in das dann entzündete
Gewebe ein. "Diese Abwehrzellen produzieren nicht nur Immunbotenstoffe, sondern
enthalten auch opiatähnliche, körpereigene Schmerzhemmer, so genannte Endorphine", erklärt Michael
Schäfer von der Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin der Freien
Universität Berlin. Diese binden an Opioidrezeptoren auf schmerzleitenden Nervenfasern,
die Schmerzsignale aus dem Körper zum Zentralnervensystem leiten. So wird die
Schmerzhaftigkeit im weiteren Verlauf einer Entzündung gesenkt. |
Opiate wirken nicht nur in ZNS.
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Die Erkenntnis, dass Opiate nicht nur im Zentralnervensystem, sondern auch
in der Körperperipherie wirken, eröffnet seitdem neue therapeutische Möglichkeiten: Die
örtliche Anwendung von starken Schmerzmitteln direkt am Ort der Schmerzentstehung. So
können die unerwünschten Wirkungen dieser Substanzen im Zentralnervensystem vermieden
werden, die viele Ärzte und Patienten fürchten. Dass dieses möglich ist, belegen
inzwischen zahlreiche klinische Studien. |
Neue Anwendung schafft Verbesserungen.
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Nach endoskopischen Kniegelenksoperationen bewirkt die Injektion von
Morphin in das Gelenk eine deutliche, nebenwirkungsfreie Schmerzlinderung. Zahlreiche
kontrollierte klinische Studien belegen, dass nicht nur die Schmerzintensität, sondern
auch der Verbrauch an anderen Schmerzmitteln nach der Operation durch eine solche
Behandlung deutlich abnimmt. |
Morhphin als Blasen- Dauerspülung lokal schmerzlindernd, ohne dass es
im Blut nachweisbar war.
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Zwei kürzlich veröffentlichte klinische Studien zeigen ebenso, dass
Opioide auch akute von den Bauchorganen ausgehende Schmerzen lindern können. In der
ersten Studie wurden 52 Kinder nach einem operativen Eingriff an Harnblase und Harnleiter
in drei Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bekam eine Blasendauerspülung mit Morphin,
allerdings in jeweils verschiedenen Konzentrationen. Weder Ärzte noch Kinder wussten,
welche Dosis die kleinen Patienten erhielten, die Studie war also doppel-blind angelegt.
Resultat: Jene Kinder, die die höchste Morphinkonzentration (0,05 %) erhalten hatten,
klagten signifikant weniger über Schmerzen als solche mit der niedrigsten (0,005 %). Da
im Blut der kleinen Patienten kein Morphin nachweisbar war, konnten die Ärzte so
beweisen, dass die Schmerzlinderung ausschließlich auf einer peripheren Wirkung der
Opioide beruht hatte. |
Tubensterilisation mit örtlicher Opioidbehandlung.
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In einer zweiten Studie unterzogen sich 45 Frauen einer endoskopischen
Unterbrechung beider Eileiter (Tubensterilisation).
Nach dem Eingriff verabreichten die Ärzte jeweils auf einer Seite der operierten Region
eine Opioid-Behandlung und auf der anderen, eine Placebo-Behandlung mit Kochsalz. Weder
Ärzte noch Patientinnen wussten, auf welcher Bauchseite das Opioid verabreicht worden
war. Auch in diesem Fall berichteten die Patientinnen auf der Opioid-behandelten Seite
über signifikant weniger Schmerzen. "Da minimal-invasive, laparoskopische Eingriffe
zunehmen", so Schäfer, "sind solche Ergebnisse von Bedeutung." |
Weniger Schmerzen bei Zahnoperationen
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"Ein lokaler Entzündungsprozess scheint jedoch für die
analgetischen Wirkungen peripherer Opioide von Bedeutung zu sein," betont Schaefer.
Dies zeigt eine Studie der Berliner Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit ihrem
österreichischen Kollegen Dr. Rudolf Likar aus Klagenfurt an zahnchirurgischen Patienten.
Diese litten an einer schmerzhaften, entzündlichen Zahnerkrankung und erhielten nach dem
Eingriff eine lokale Injektion, die neben einem örtlichen Betäubungsmittel entweder
Morphin oder Kochsalz enthielt. Als die Wirkung des Lokalanästhetikums nachließ,
berichteten die Patienten, die das Opioid erhalten hatten, über eine deutlich stärkere
und längere Schmerzlinderung. Der Effekt blieb jedoch aus, wenn keine Entzündung vorlag.
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Opioide bei Gelenkentzündungen.
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Neuere klinische Untersuchungen von Schäfer und seinen Kollegen zeigen,
dass örtlich verabreichte Opioide bei chronisch-entzündlichen Schmerzen, wie zum
Beispiel bei einer Gelenkentzündung (Arthritis), nicht
nur die Schmerzen, sondern auch die Entzündung lindern können. Schäfer:"Die
Opioidgabe direkt in das entzündete Gelenk könnte eine neue Alternative zur heute
üblichen Standardtherapie werden." |
Neue Entwicklungen stehen bevor.
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"Allerdings ist die wiederholte Injektion eines Opioids in das Gelenk
nicht praktikabel und birgt potentielle Risiken wie Blutungen oder Infektionen",
erklärt Schäfer. Darum hofft der Experte auf die Entwicklung von Opioiden, die nur in
der Peripherie, nicht aber im Zentralnervensystem wirken. Solche Substanzen könnten dann
auch in die Blutbahn injiziert oder als Tablette eingenommen werden. |
Es gibt noch viel zu tun.
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Pharmazeutische Unternehmen haben schon seit einigen Jahren mit der
Entwicklung solcher peripher selektiv wirkender Opioidsubstanzen begonnen. Erste
Untersuchungen zeigen allerdings noch widersprüchliche Ergebnisse. "Dies mag daran
liegen", so Schäfer, "dass diese erste Generation noch weiter verbessert werden
muss. |
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Rückfragen an:
PD Dr. med. Michael Schäfer
Klinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin
Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin
Hindenburgdamm 30 12200 Berlin
Tel:030-8445-2731
Fax:030-8445-4469
email; mischaefer@medizin.fu-berlin.de
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