Chronische Schmerzen

 

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Pressemitteilung 01.03.2000

Deutscher Schmerztag 2000
02. - 04. März 2000, Frankfurt am Main

 

Die Chronifizierung von Schmerzen verhindern

 

Wenn akute Schmerzen nicht ausreichend behandelt werden, ist das Risiko groß, dass sie zu einem Dauerbegleiter werden. Neue Erkenntnisse der Schmerzforschung belegen, dass der Prävention in der Schmerztherapie eine große Bedeutung zukommt, betonen Experten auf dem Deutschen Schmerztag.

 

Siehe auch: Entstehung chronischer Schmerzen ,,Autsch!" Der Hammer hat statt des Nagels in der Wand den Daumen getroffen. In Bruchteilen von Sekunden leiten Nervenfasern das Schmerzsignal aus dem Finger zu den Nervenzellen des Rückenmarks. Die Zellen setzen Botenstoffe frei, etwa die Substanz P oder Glutamat. Es öffnen sich lonenkanäle, die Tore der Zellen, Calcium strömt ein. Komplexe Signalkaskaden verstärken die Empfänglichkeit der Zellen für weitere Reize. Doch gleichzeitig wird dieser Aufruhr in einem gesunden Organismus auch gedämpft: Das Gehirn schickt hemmende Signale und Nervenzellen produzieren körpereigene Schmerzhemmer. Ist diese körpereigene Schmerzabwehr stark genug und bleiben weitere Schmerz-Impulse aus, kommt das System zur Ruhe. Der akute Schmerz hat seine Warnfunktion erfüllt und klingt ab.

 

Siehe dazu: Schmerzgedächtnis Wenn jedoch, etwa bei chronischen Entzündungen oder anderen Gewebeschäden, die Schmerzen nicht aufhören und das Nervensystem ständig mit Schmerzsignalen bombardiert wird, sind komplexe Veränderungen im Nervensystem die Folge. Die Neuronen reagieren auf Schmerzreize empfindlicher und feuern auch bei harmlosen, schwachen Reizen das Signal Schmerz. Die Schmerzverarbeitung hat sich verändert, das System hat ,,Schmerz" gelernt.

 

Endlich Beweise für das Schmerzgedächtnis. ,,Neueste tierexperimentelle Untersuchungen belegen", so Professor Walter Zieglgänsberger, Schmerzforscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, ,,dass selbst kleine, räumlich begrenzte Entzündungen die Aktivität von Nervenzellen in weitaus mehr Bereichen des Zentralnervensystems verstärken, als wir bislang vermutet haben." Die Folge: Das Gefühl ,,Schmerz" breitet sich aus und wird schlimmer. ,,Dieser Laborbefund deckt sich mit schon lange bekannten Erfahrungen der Schmerztherapeuten", so Zieglgänsberger.

 

Buch dazu anzeigenEinführung in die Pathophysiologie des Schmerzes. Wird die Weiterleitung schmerzhafter Reize im Nervensystem nicht durch eine ausreichende Behandlung unterdrückt, wird so die körpereigene Schmerzabwehr überfordert und verliert die Kontrolle über das Geschehen.

 

Überflutung kann zum Zelltod führen. Es gibt Hinweise aus der Grundlagenforschung, dass eine ständige Überflutung der Nervenzellen mit Botenstoffen sogar zum Untergang der Zellen führen kann. Verstärkt werden könnten solche Prozesse auch durch psychische Faktoren: ,,Wenn Patienten unter Schmerzen leiden und beispielsweise Angst und Stress empfinden, werden etwa Hormone wie Cortisol produziert, die als ,,Neuronenkiller" bekannt sind", erklärt der Münchener Schmerzforscher.

 

Buch dazu anzeigenNeuropsychologie psychischer Störungen Welche Folgen ein solcher Untergang von Nervenzellen auf das Schmerzgeschehen haben könnte, wissen die Forscher in letzter Konsequenz allerdings noch nicht. ,,Gleichwohl", spekuliert Zieglgänsberger, ,,kann man sich schon vorstellen, dass der Verlust von Nervenzellen, die an der Schmerzhemmung beteiligt sind, zu weiteren, nicht vorhersehbaren Umbauprozessen und im Nervensystem damit zur Chronifizierung führt."

 

Individuelle Konzepte aus dem therapeutischen Arsenal zusammenstellen Darum kommt es vor allem darauf an, die Entstehung chronischer Schmerzen möglichst zu verhindern. ,,Trotz aller Fortschritte", stellt Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des Deutschen Schmerztages fest, ,,ist die Prävention und Therapie chronischer Schmerzen jedoch noch immer ein Problem." Zwar wird die Palette der Schmerztherapeuten immer wieder durch neue und bessere Medikamente sowie nicht-medikamentöse Strategien erweitert. Ebenso entdecken Wissenschaftler bisher unbekannte Wirkprinzipien bereits lange eingeführter Arzneistoffe, was der Forschung zusätzliche Impulse gibt. ,,Doch es kommt vor allem darauf an", so Müller-Schwefe, ,,für einen Patienten aus diesem Arsenal verschiedene Bausteine für ein individuell angepasstes Therapiekonzept auszuwählen."

 

Behandlung muß individuell abgestimmt sein. Wie umfangreich das verfügbare Arsenal inzwischen ist, belegen aktuelle Leitlinien zur Behandlung von Rückenschmerzen. Sowohl bei akuten als auch chronischen Rückenschmerzen müssen stets nicht-medikamentöse Maßnahmen, etwa Krankengymnastik, Haltungsschulung und Muskelaufbau, mit Medikamenten kombiniert werden. Auch verhaltensmedizinische Strategien gehören dazu.

 

Schmerzstillung ist Grundlage für die Physiotherapie. Bei akuten Rückenschmerzen, die binnen einer Woche abklingen, lindern beispielsweise entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente, die über verschiedene Wirkmechanismen eingreifen, die Pein. Nervenblockaden mit Lokalanästhetika können ebenfalls den Teufelskreis aus Schmerzen, Anspannung und noch mehr Schmerzen effektiv durchbrechen. ,,Entscheidend ist", so Zieglgänsberger, ,,dass eine Behandlung stets auf mehreren Säulen ruht und dem jeweiligen Stadium der Beschwerden individuell angepasst werden muß." Eine effektive Schmerzlinderung durch solche Medikamente erst ist die Grundlage für nachfolgende physiotherapeutische Behandlungen.

 

Chronische Schmerzen müssen anders behandelt werden, als akute Schmerzen. Wenn Rückenschmerzen länger anhalten oder bereits chronisch geworden sind, können Antidepressiva zusätzlich in die Schmerzverarbeitung eingreifen. Ebenso setzen Experten in solchen Fällen auch retardierte Opioide ein. Denn chronische Rückenschmerzen müssen im allgemeinen zusätzlich noch mit anderen Medikamenten behandelt werden als akute Beschwerden.

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