Interferone
und ihre therapeutische Anwendung bei Multipler Sklerose
Medikamente
nutzen die Mechanismen des Immunsystem.
Multiple
Sklerose entsteht sehr wahrscheinlich durch eine "Entgleisung" des Immunsystems, die wir bis heute nicht
ursächlich behandeln können. Dennoch nutzen die meisten therapeutischen Ansätze die
natürlichen Mechanismen des Immunsystems, um die Entstehung der entzündlichen Plaques der Multiplen Sklerose zu unterdrücken bzw. zu hemmen.
Das
Immunsystem besteht aus vier Teilsystemen, die in ihrer Wirkung ineinander übergreifen.
Das
Immunsystem des Menschen besteht aus vier verschiedenen Teilsystemen, die alle eine
bestimmt Aufgabe erfüllen.
Die zelluläre Abwehr
(Abwehr durch Zellen) teilt sich in die
unspezifische Abwehr durch natürliche Killerzellen
(NK-Zellen), eine besondere Form der weißen
Blutkörperchen.
Die humorale Abwehr, die nicht aus Zellen besteht,
beinhaltet die
spezifische Abwehr durch die Antikörper (Immunglobuline) und die
unspezifische Abwehr durch das Komplementsystem.
Das
Komplementsystem verstärkt oder ergänzt die Wirkung von Antikörpern.
Das
Komplementsystem besteht aus Proteinen, die im Serum oder auf Zelloberflächen vorkommen
und als zusammenwirkendes System in den Organismus eingedrungene Fremdstoffe inaktivieren
können. Bei dieser Abwehr können Antikörper beteiligt sein (oder auch nicht). Das
Komplementsystem verstärkt oder ergänzt die jeweilige Wirkung von Antikörpern.
Interferon
ist ein Bestandteil des Komplementsystems.
Die unspezifische
humorale Abwehr des Komplementsystems wird durch Lysozym und Zytokine durchgeführt.
Lysozym bewirkt bei bestimmten Bakterien eine Auflösung der Wandstrukturen und verhindert
so eine bakterielle Infektion. Sie sind z. B. in der Tränenflüssigkeit enthalten.
Zytokine koordinieren als chemische Botenstoffe die Zusammenarbeit von Antikörpern und
T-Zellen. Das Interferon schließlich ist ein Zytokin.
Interferone
unterstützen als Botenstoffe die unspezifische Abwehr des Immunsystems.
Interferone
sind Botenstoffe, die bei der unspezifischen humoralen Immunabwehr eine Rolle spielen.
Interferon wird häufig mit IFN abgekürzt. Es gibt Alpha-, Beta- und Gamma- Interferone,
die jeweils eine spezifische Wirkung haben und ihrerseits auch noch weiter untergliedert
sein können. Interferone wirken
antiviral, indem sie die Vermehrung von Viren unterbinden
bzw. hemmen,
antiproliferativ, indem sie das Wachstum und die Teilung
von Entzündungszellen hemmen, und
immunmodulatorisch, indem sie die natürliche Immunantwort
des Körpers unterstützen.
Bei
Multipler Sklerose wird insbesondere das Interferon-b eingesetzt.
Ein
bestimmtes Interferon, Interferon-b, wird zur Behandlung der schubförmig verlaufenden und
mittlerweile auch der chronisch progredient verlaufenden Multiplen Sklerose
(s. Abschnitt "Verlaufsformen") eingesetzt. Es
beeinflusst das Immunsystem dahingehend, dass die Angriffe des Immunsystems auf das
körpereigene Gewebe abgemildert werden. Das Medikament wird als Injektion (in die
Muskulatur oder in das Unterhautfettgewebe) verabreicht, und zwar in Tages- oder auch
Wochenabständen. Durch die Interferontherapie lassen sich eine Verringerung der Schubrate
und eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs bzw. körperlicher Einschränkungen
erreichen.
Die
Therapie sollte möglichst früh beginnen.
Es
ist ratsam, möglichst früh im Krankheitsverlauf mit einer Interferontherapie zu
beginnen, um einen möglichst großen Nutzen zu erzielen (so lässt sich durch Einsetzen
der Interferontherapie nach dem allerersten Schub das Auftreten des zweiten Schubes
deutlich hinauszögern). Die "Multiple Sklerose Therapie Konsensusgruppe"
empfiehlt die Behandlung bereits nach dem ersten Schub, wenn folgende Kriterien erfüllt
sind:
beeinträchtigende Beschwerden, die sich nicht innerhalb
von 2 Monaten zurückbilden
Nachweis von mindestens 6 Multiple-Sklerose-Herden in
der nach dem ersten Schub durchgeführten Kernspintomographie
Nachweis eines neuen Herdes in der Kernspintomographie
innerhalb von 6 Monaten nach dem ersten Schub, obwohl der Patient keine Symptome
zeigt
Die
Dauer muss individuell eingeschätzt werden.
Die
optimale Dauer einer Interferontherapie lässt sich derzeit noch nicht genau abschätzen.
Es wird aber empfohlen, diese ständig weiterzuführen, solange weiterhin ein
Therapieeffekt nachzuweisen ist und sich zudem keine schwerwiegenden Nebenwirkungen
einstellen, welche die Betroffenen beeinträchtigen.
Nebenwirkungen
sind möglich.
Als
Nebenwirkungen der Interferontherapie wurden beobachtet: Zunahme der Anzahl weißer
Blutkörperchen, Erhöhung der Leberwerte, Hautreaktionen an der Einstichstelle,
grippeartige Beschwerden, Verstärkung der Fatigue-Symptomatik (s. Abschnitt "Symptomatische Therapie"), gelegentlich Depression.
Es
können sich neutralisierende Antikörper bilden.
Bei
einigen Patienten können sich im Verlauf der Interferontherapie so genannte
neutralisierende Antikörper bilden. Dabei handelt es sich um von den Zellen des
Immunsystems gebildete Eiweiße, welche in der Lage sind, die Interferone zu binden und
auf diese Weise "außer Gefecht zu setzen". Diese Antikörper können von selbst
wieder verschwinden; ist dies nicht der Fall, sind andere Therapiemöglichkeiten in
Betracht zu ziehen.