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Grundlagen ärztlicher Gutachtertätigkeit
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Um den Grad einer Behinderung festzustellen, wird ein ärztliches
Gutachten erstellt. Bei der Bewertung richtet sich der ärztliche Gutachter nach den im
folgenden dargestellten Richtlinien. |
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Behinderung
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Behinderung
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Als Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden
Funktionsbeeinträchtigung anzusehen, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen
oder seelischen Zustand beruht und einen GdB um wenigsten 10 bedingt. Das Ausmaß der
Behinderung wird mit durch Grad der Behinderung (GdB) festgelegt.
Regelwidrig ist derjenige Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht.
Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
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Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und Grad der Behinderung (GdB)
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Grundlegende Voraussetzungen
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(1) MdE und GdB werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe
unterscheiden sich lediglich dadurch, dass die MdE kausal (nur auf
Schädigungsfolgen) und der GdB final (auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von
ihrer Ursache) bezogen sind. Beide Begriffe haben die Auswirkungen von
Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen
im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. MdE und GdB sind ein Maß für die körperlichen,
geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund
eines Gesundheitsschadens. Aus dem GdB/MdE-Grad ist nicht auf das Ausmaß der
Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und MdE sind grundsätzlich unabhängig vom
ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei Begutachtungen im
sozialen Entschädigungsrecht ein besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt
werden muss.
Die Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit durch einen
Rentenversicherungsträger oder die Feststellung einer Dienstunfähigkeit oder
Arbeitsunfähigkeit erlauben keine Rückschlüsse auf den GdB/MdE-Grad, wie umgekehrt aus
dem GdB/MdE-Grad nicht auf die genannten Leistungsvoraussetzungen anderer Rechtsgebiete
geschlossen werden kann.
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Definition von körperlichen und psychischen Einschränkungen der
Leistung und Störungen der Gesundheit.
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(2) GdB und MdE setzen stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das
Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies gilt für Kinder in gleicher Weise wie für
alte Menschen. Physiologische Veränderungen im Alter sind daher bei der
GdB/MdE-Beurteilung nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die
körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter
regelhaft entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind.
Hierzu gehören:
- die altersbedingte allgemeine Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit
(weniger Kraft, Ausdauer, Belastbarkeit),
- die allgemeine Verminderung der Leistungsbreite des Herzens und der Lungen durch
physiologische Gewebealterung (entsprechend den altersabhängigen Sollwerten der EGKS),
- eine leichte Verminderung der Beweglichkeit der Gliedmaßen und der Wirbelsäule
(=geringgradige Abweichungen von den Normwerten der Bewegungsmessungen nach der
Neutral-0-Methode,
- das Nachlassen von Libido oder Potenz,
- das altersentsprechende Nachlassen des Gedächtnisses, der geistigen Beweglichkeit und
der seelischen Belastbarkeit,
- die altersspezifischen Einschränkungen der Seh-
und Hörfähigkeit (Presbyopie=Erschwerung bis Verlust der Nahadaptation,
Presbyakusis=altersbegleitender Hochton-Hörverlust).
Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, d.h. Gesundheitsstörungen, die nicht
regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, beispielsweise
- Geschwülste,
- Folgen arteriosklerotisch bedingter Organerkrankungen, (Schlaganfall, Herzinfarkt,
Herzinsuffizienz bei koronarer Herzkrankheit, Arterienverschlüsse),
- stärkere, nicht als altersentsprechend beurteilbare Bewegungseinschränkungen durch Arthrosen,
- Schmerzsyndrome bei degenerativen
Wirbelsäulenveränderungen (z. B. Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalgie) und
- über das Alterstypische wesentlich hinausgehende hirnorganische Abbauerscheinungen (z.
B. Demenzen vom Alzheimer-Typ
oder bei zerebrovaskulärer Insuffizienz) bei der MdE/GdB-Beurteilung zu berücksichtigen,
auch dann, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als
"Alterskrankheiten" (z.B. "Altersdiabetes",
"Altersstar") bezeichnet werden.
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Behinderung wird in Zehnergraden angegeben.
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(3) Der GdB wird in Zehnergraden, die MdE in Vomhundertsätzen angegeben.
Die Werte für die verschiedenartigen Gesundheitsstörungen leiten sich dabei von
Mindestvomhundertsätzen ab, die in der - auch bei der Behindertenbegutachtung wirksamen -
Verwaltungsvorschrift Nummer 5 zu § 30 des Bundesversorgungsgesetzes für erhebliche
äußere Körperschäden angegeben sind. Die in der GdB/MdE-Tabelle aufgeführten Werte
sind diesen Mindestvomhundertsätzen angepasst. Die Werte sind aus langer Erfahrung
gewonnen und stellen altersunabhängige (auch trainingsunabhängige) Mittelwerte dar. Je
nach Einzelfall kann von den Tabellenwerten mit einer die besonderen Gegebenheiten
darstellenden Begründung abgewichen werden (z. B. besondere Schmerzen oder seelische
Begleiterscheinungen - siehe Absatz (8) oder fast
vollständiger Ablauf einer Heilungsbewährung bei Antragstellung).
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Bewertung von Funktionssystemen
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(4) Da GdB und MdE ihres Wesens nach nur ungefähr bestimmt werden
können, sind bei der GdB-Bewertung nur Zehnerwerte, bei der MdE-Bewertung in der Regel
nur Werte anzugeben, die durch 10 teilbar sind. Dabei sollen im allgemeinen die folgenden
Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen;
Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut
einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel;
Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der GdB/MdE-Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade
sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und
sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen. Für die GdB-Beurteilung ist
daher zu beachten, dass in den Fällen, in denen die Gesundheitsstörung auch nur wenig
günstiger ist, als in der GdB/MdE-Tabelle beschrieben, der Zehnergrad unter dem
Fünfergrad anzusetzen ist; entspricht die Gesundheitsstörung genau der beschriebenen
oder ist sie etwas ungünstiger, ist der über dem Fünfergrad gelegene Zehnergrad
anzunehmen. |
Behinderung muss mindestens 6 Monate anhalten.
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(5) GdB und MdE setzen eine nicht nur vorübergehende und
damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende
Gesundheitsstörung voraus. Aus diesem Grund ist bei abklingenden Gesundheitsstörungen
der Wert festzusetzen, der dem über sechs Monate hinaus verbliebenen - oder
voraussichtlich verbleibenden - Schaden entspricht. Schwankungen im Gesundheitszustand
bei längerem Leidensverlauf ist mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Das
heißt: Wenn bei einem Leiden - über einen Zeitraum von sechs Monaten nach
Krankheitsbeginn hinaus - der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und
Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist (Beispiele: Magengeschwürsleiden, chronische Bronchitis, Hautkrankheiten, Anfallsleiden), dann können die
zeitweiligen Verschlechterungen - im Hinblick auf die dann anhaltenden Auswirkungen auf
die gesamte Lebensführung - nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet
werden. Aus diesem Grund muss in solchen Fällen bei der GdB/MdE-Beurteilung von dem
"durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden.
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Tod des Antragstellers innerhalb von 6 Monaten.
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(6) Stirbt ein Antragsteller innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt
einer Gesundheitsstörung, so ist für diese Gesundheitsstörung der GdB/MdE-Grad
anzusetzen, der nach ärztlicher Erfahrung nach Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der
Gesundheitsstörung zu erwarten gewesen wäre. Fallen Eintritt der Gesundheitsstörung und
Tod zusammen, kann ein GdB/MdE-Wert nicht angenommen werden. Dabei fallen der Eintritt der
Gesundheitsstörung und der Tod nicht nur zusammen, wenn beide Ereignisse im selben
Augenblick eintreten. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Gesundheitsstörung so schnell
zum Tode führt, dass bei natürlicher Betrachtungsweise Eintritt der Gesundheitsstörung
und Tod einen einheitlichen Vorgang darstellen. |
Erwartete Störungen bleiben unberücksichtigt.
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(7) Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind
bei der GdB/MdE-Beurteilung nicht zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit des Abwartens
einer Heilungsbewährung bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigen, stellt eine
andere Situation dar (vgl. Nr. 5 Absatz 3), während der
Zeit des Abwartens einer Heilungsbewährung ist ein höherer GdB/MdE-Wert, als er sich aus
dem festgestellten Schaden ergibt, gerechtfertigt. |
Schmerzen und psychische Begleiterscheinungen müssen berücksichtigt
werden.
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(8) Bei der GdB/MdE-Beurteilung sind auch seelische
Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Die in der GdB/MdE-Tabelle
niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen
Begleiterscheinungen (z. B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust).
Gehen seelische Begleiterscheinungen erheblich über die dem Ausmaß der organischen
Veränderungen entsprechenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen hinaus, so ist
eine höherer GdB/MdE-Bewertung berechtigt. Vergleichsmaßstab kann aber - im Interesse
einer gerechten Beurteilung nicht der Behinderte sein, der überhaupt nicht oder kaum
unter seinem Körperschaden leidet. Beurteilungsgrundlage ist wie immer die allgemeine
ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen. Außergewöhnliche
seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen
in einem solchen Ausmaß vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser
Störungen - z. B. eine Psychotherapie - erforderlich ist.
Ähnliches gilt für die Beurteilung von Schmerzen. Die in der GdB/MdE-Tabelle
angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und
berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen,
in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das
übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde
Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angesetzt werden. Das gilt
insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach
Amputationen (Stumpfnervenschmerzen, Phantomschmerzen).
Ein Phantomgefühl allein begründet keine zusätzliche GdB/MdE-Bewertung.
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(9) Wird der Gutachter nach dem Schwerbehindertengesetz zu einer
Beurteilung des GdB aufgefordert, so ist er nicht an Feststellungen, die nach anderen
Gesetzen getroffen worden sind gebunden. Umgekehrt gilt das gleiche. |
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Gesamt-GdB/MdE-Grad
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Keine Addition von Einzelwerten.
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(1) Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind unter
Berücksichtigung von Nr. 2 Absatz 4 die Einzel-GdB/MdE-Grade anzuführen. Bei der
Ermittlung des Gesamt-GdB/MdE-Grades durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen
jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden eignen sich
für die Bildung eines Gesamt-GdB/MdE-Grades nicht. Maßgebend sind die Auswirkungen der
einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer
wechselseitigen Beziehungen zueinander. |
Werte aus der Tabelle sind die Grundlage.
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(2) Bei der Gesamtbeurteilung der unterschiedlichen
Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen
Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste
GdB/MdE-Werte angegeben sind. Ein Gesamt-GdB/MdE-Grad von 50 kann nur dann angenommen
werden, wenn die Gesamtauswirkungen der unterschiedlichen Funktionsbeeinträchtigungen so
erheblich sind, wie beispielsweise beim Verlust einer Hand oder eines Beines im
Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule,
bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener
Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit
mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung etc.
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Auswirkungen der Beeinträchtigungen müssen in ihrer Gesamtheit
beurteilt werden.
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(3) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB/MdE-Grades ist normalerweise von
der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB/MdE-Grad bedingt.
Dann wird im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen geprüft, ob und
inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren
Funktionsbeeinträchtigung dem ersten GdB/MdE-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte
hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Um die Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigung in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer
wechselseitigen Beziehungen zueinander beurteilen zu können, muss aus der ärztlichen
Gesamtschau beachtete werden, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen
zueinander unterschiedlich sein können:
- Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander
unabhängig sein und damit ganz verschiede Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens
betreffen.
Beispiel: Beim Zusammentreffen eines insulinpflichtigen Diabetes (Abhängigkeit von
Injektions- und Diäteinnahmeterminen) mit einer Hörbehinderung und einer Gehbehinderung
ist der Behinderte in drei verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens betroffen, wobei
jeder Bereich der Schwere der einzelnen Gesundheitsstörung entsprechend bei der
Gesamtbeurteilung zu beachten ist.
- Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig
auswirken.
Dies ist vor allem der Fall, wenn Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen
oder Organen - also z. B. an beiden Armen oder beiden Beinen oder beiden Nieren oder
beiden Augen - vorliegen.
- Die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden.
Beispiel: Neben einem Herzschaden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung liegen ein
Lungenemphysem und ein leichterer Schaden an einem Fuß vor. Die Gehfähigkeit und gesamte
Leistungsfähigkeit wird schon durch den Herzschaden sehr eingeschränkt, so dass sich die
anderen beiden Gesundheitsschäden nur noch wenig auswirken können.
- Die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung werden durch eine hinzutretende
Gesundheitsstörung gar nicht verstärkt.
Beispiel: Peronäuslähmung und Versteifung des Fußgelenks in günstiger Stellung an
demselben Bein.
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Zusätzliche leichte Beeinträchtigungen erhöhten den Grad nicht.
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(4) Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei
schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche
leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB/MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer
Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung
berücksichtigt werden können. Dies ist auch dann nicht der Fall, wenn mehrere derartige
leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten
Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB/MdE-Grad von 20 ist es vielfach nicht
gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. |
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Hilflosigkeit
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Hilflosigkeit ist Voraussetzung für finanzielle Hilfen.
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(1) Eine Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Pflegezulage nach
dem sozialen Entschädigungsrecht (§ 35 Abs. 1 BVG) ist, dass der Beschädigte (als Folge
der Schädigung) "hilflos" ist. Derselbe Begriff findet sich im
Schwerbehindertengesetz (§ 59 Abs. 1) und im Einkommensteuergesetz (§§ 33a und 33b).
Die Grundvoraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit sind in den genannten
Rechtsgebieten identisch. Der Begriff der Hilflosigkeit unterscheidet sich von dem Begriff
der Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI
und § 68 BSHG bzw. § 26c BVG. |
Definition der Hilflosigkeit.
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(2) Als hilflos ist derjenige anzusehen, der infolge von
Gesundheitsstörungen - nach dem Schwerbehindertengesetz und dem Einkommensteuergesetz
"nicht nur vorübergehend" - für eine Reihe von häufig und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines
jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn
die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen
erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine
ständige Bereitschaft zur Hilfestellung erforderlich ist. |
Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen.
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(3) Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung
der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und
Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Außerdem sind
notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation
zu berücksichtigen. Hilflosigkeit liegt nach Absatz 2 auch dann vor, wenn ein psychisch
oder geistig Behinderter zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens keiner
Handreichungen bedarf, er diese Verrichtungen aber als Folge einer Antriebsschwäche ohne
ständige Überwachung nicht vornimmt. Die ständige Bereitschaft ist z. B. dann
anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist. |
Es muss ein erheblicher Umfang festgestellt werden.
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(4) Der Umfang der notwendigen Hilfe bei den häufig und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen muss erheblich sein. Das ist dann der Fall, wenn die Hilfe
dauernd für zahlreiche Verrichtungen, die häufig und regelmäßig wiederkehren,
benötigt wird. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im
täglichen Lebensablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen nicht (z. B. Hilfe beim
Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und
Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr, einfache Wund- oder Heilbehandlung, Hilfe bei
Heimdialyse oder Notwendigkeit weiterer Hilfeleistung). Verrichtungen, die mit der Pflege
der Person nicht unmittelbar zusammenhängen, z.B. im Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung, müssen außer Betracht bleiben. |
Medizinische Befunde allein sind nicht ausschlaggebend.
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(5) Ob ein Zustand der Hilflosigkeit besteht ist somit nicht allein nach
dem medizinischen Befund allein zu beurteilen. Diese Frage ist nur unter Berücksichtigung
aller in Betracht kommenden Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden, wobei auch von
Bedeutung sein kann, welche Belastungen dem Behinderten nach Art und Umfang des Leidens
zugemutet werden dürfen. |
Fälle, in denen ohne Prüfung Hilflosigkeit angenommen wird.
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(6) Bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und
besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, kann im
allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das
Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets bei
- Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung,
- Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig - auch
innerhalb des Wohnraums - die Benutzung eines Rollstuhls erfordern,
in der Regel auch bei
- Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese
Behinderungen allein einen GdB/MdE-Grad von 100 bedingen,
- Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel- oder Fußamputationen
beiderseits, bei der immer eine individuelle Prüfung erforderlich ist. (Als Verlust einer
Gliedmaße gilt der Verlust mindestens der ganzen Hand oder des ganzen Fußes.)
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Dauerndes Krankenlager.
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(7) Führt eine Behinderung zu dauerndem Krankenlager, so sind stets auch
die Voraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit erfüllt. Dauerndes Krankenlager
setzt nicht voraus, dass der Behinderte das Bett überhaupt nicht verlassen kann. |
Tod innerhalb von 6 Monaten.
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(8) Stirbt ein Behinderter innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt einer
Gesundheitsstörung, so ist die Frage der Hilflosigkeit analog der Nr. 2 Abs. (6) zu
beurteilen. |
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(9) Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Pflegezulagestufen im
sozialen Entschädigungsrecht siehe Tabellen. |
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Wesentliche Änderungen der Verhältnisse
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Bei Veränderungen neues Gutachten.
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(1) Wenn bereits eine bindende Entscheidung über Schädigungsfolgen oder
Behinderungen vorliegt, so muss nach § 48 SGB XI bei neuen Anträgen oder bei
Nachprüfungen von Amts wegen beurteilt werden, ob in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung eingetreten ist. |
Die Veränderungen müssen wesentlich sein.
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(2) Eine Neufeststellung ist nur dann zulässig, wenn die Verhältnisse
sich nach der letzten Feststellung wesentlich geändert haben. Eine wesentliche Änderung
im Ausmaß der Schädigungsfolgen oder der Behinderung liegt nur vor, wenn der veränderte
Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird
und die Änderung des GdB/MdE-Grades wenigstens 10 beträgt. Eine wesentliche Änderung
ist auch gegeben, wenn die entscheidenden Voraussetzungen für weitere Leistungen im
sozialen Entschädigungsrecht (z. B. Pflegezulage) oder für Nachteilsausgleiche für
Behinderte erfüllt werden oder entfallen sind. |
Bei Rezidiven und Transplantationen Vorsicht bei Herabsetzung des
Grades.
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(3) Nach der Behandlung von Krankheiten, die zu Rezidiven neigen (z. B.
bösartige Geschwulstkrankheiten, chronische Osteomyelitis), und nach Transplantationen
innerer Organe ist bei der Herabsetzung des GdB/MdE-Grades Zurückhaltung zu üben. Auch
bei gleichbleibenden Symptomen ist eine Neubewertung später zulässig, weil die
Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt (vgl. Nr. 2 Abs.
7). |
Veränderung bedeutet nicht zwangsläufig Erhöhung.
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(4) Bei Überprüfungen und Neufeststellungen wegen einer wesentlichen
Änderung der Verhältnisse ist stets von den seinerzeit tatsächlich vorhandenen
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen. Das heißt, dass in den Fällen,
in denen nach den im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebenden Beurteilungskriterien der
GdB/MdE-Grad zu hoch angesetzt und bindend festgestellt worden ist, eine wesentliche
Änderung der Verhältnisse - z. B. eine wesentliche Verschlechterung des
Gesundheitszustandes - nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des GdB/MdE-Grades führt. |
Das Alter wird berücksichtigt.
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(5) Im sozialen Entschädigungsrecht sind bei Personen, die das 55.
Lebensjahr vollendet haben, die MdE und die Schwerstbeschädigtenzulage bei Besserung des
Gesundheitszustandes nicht niedriger festzusetzen, wenn sie in den letzten zehn Jahren
seit der Feststellung unverändert geblieben sind (§ 62 Abs. 3 BVG). |
Verschiebung der Wesensgrundlage.
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(6) Bei Beurteilungen im sozialen Entschädigungsrecht ist bei einer
Zunahme des Leidensumfangs zusätzlich zu prüfen, ob die Weiterentwicklung noch Folge
einer Schädigung ist. Bei gleichbleibendem Erscheinungsbild kann eine wesentliche
Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse vorliegen, wenn sich die schädigungsbedingte
Störung, die dem Erscheinungsbild zunächst zugrunde lag, gebessert oder ganz
zurückgebildet hat, das Leidensbild jedoch aufgrund neuer Ursachen bestehen geblieben ist
("Verschiebung der Wesensgrundlage").
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Rücknahme von Verwaltungsentscheidungen
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Die Rücknahme kann Vorteil oder Nachteil sein.
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(1) Wenn keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist,
kommt eine Rücknahme einer bindend gewordenen Entscheidung über Schädigungsfolgen oder
Behinderungen nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Für den Gutachter ist
nur von Bedeutung die Rücknahme einer Entscheidung
- zum Vorteil des Betroffenen nach § 44 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen
nicht begünstigenden Verwaltungsaktes) und
- zum Nachteil des Betroffenen nach § 45 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes).
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Unrichtige Anwendung des Rechts.
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(2) Eine Rücknahme des Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X zugunsten des
Betroffenen setzt voraus, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist. Eine gutachtliche Beurteilung kann in diesem Sinne beispielsweise unrichtig
sein, wenn die vorliegende Gesundheitsstörung falsch beurteilt wurde (z. B. Fehldiagnose,
unrichtige Einschätzung des Ausmaßes der Gesundheitsstörung) oder wenn sich - bei
Gutachten im sozialen Entschädigungsrecht - der angenommene Sachverhalt zur
Gesundheitsschädigung oder der Kausalitätsbeurteilung als unrichtig erwiesen haben und
wenn nach den Grundsätzen, die bei erstmaliger Entscheidung zu berücksichtigen sind,
eine für den Betroffenen günstigere Beurteilung zu treffen ist.
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Stand der Wissenschaft.
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(3) Zuungunsten des Betroffenen kann nach § 45 SGB X eine rechtswidrige
Verwaltungsentscheidung unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nur
unter strengen Voraussetzungen zurückgenommen werden. Diese sind vor allem von
verwaltungsseitigen Feststellungen abhängig. Für den Gutachter ist von Bedeutung, dass
es bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit auf die medizinischen Erkenntnismöglichkeiten
und auf den Stand der Wissenschaft im Zeitpunkt der Überprüfung, nicht dagegen im
Zeitpunkt der früheren Entscheidung ankommt.
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