Bei
Multipler Sklerose sind die Augen häufig
betroffen. Bei fast der Hälfte aller Patienten, insbesondere bei jüngeren, die unter
einer schubförmigen Multiplen Sklerose leiden, kommt es zu einer Retrobulbärneuritis
(Entzündung des Sehnervs hinter dem Augapfel) oder einer Opticusneuritis. Ursache ist
eine Entzündung des Sehnervs.
Die Opticusneuritis ist bei 20 bis 30 Prozent der Betroffenen das erste Symptom der
Multiplen Sklerose. Eine Retrobulbärneuritis kann ohne Folgen abheilen. Es ist aber auch
das Zurückbleiben einzelner Symptome bzw. Beschwerden möglich.
Verschwommen, unscharf oder grau in grau.
Die
Symptome beginnen meistens einseitig. Zu ihnen gehören:
Gelegentlich werden einige Tage vor dem akuten Schub
Augendruck und Schmerzen bei Augenbewegungen wahrgenommen. Auch das Sehen von Farben kann
beeinträchtigt sein.
Störung
der Augenmotorik.
Ein
häufiges Symptom ist das vorübergehende Sehen von Doppelbildern. Dieses
Krankheitszeichen ist auf die Störung der Augenmotorik
(willkürliche Bewegungsvorgänge) zurückzuführen und tritt meistens schon in einer
frühen Krankheitsphase auf.
Störung
der Augenmotilität.
Bei
Störungen der Augenmotilität (unwillkürliche Bewegungsvorgänge) kommt es häufig zu
unwillkürlichen und ruckartigen Augenbewegungen, die als Nystagmus bezeichnet werden.
Insbesondere bei einem einseitigen Nystagmus liegt der Verdacht auf Multiple Sklerose
nahe.
Der
Hirnstamm ist ein spezieller Teil des Zentralen Nervensystems, der Großhirn, Kleinhirn
und Rückenmark miteinander verbindet. Hier liegt die Nervenbahnen sehr eng beieinander,
weil fast alle Nervenbahnen, die vom Gehirn zum Körper laufen, und auch die Nervenbahnen,
die vom Körper zurück eine Verbindung zum Gehirn schaffen, sich im Hirnstamm treffen.
Darum können schon kleine Plaques größere Störungen
hervorrufen.
Trigeminusneuralgie
und Facialisparese.
Im
Bereich der Augen sind die schon beschriebenen Störungen der Motorik und der Motilität
den Hirnstammsymptomen zuzurechnen. Häufig kommt es auch zu einer einseitigen
Gesichtslähmung, der Facialisparese. Betroffen sind 5 bis 8 Prozent der
Multiple-Sklerose-Patienten. Die Facialisparese bildet sich jedoch in der Regel rasch
zurück. Die Trigeminusneuralgie, die sich durch starke Gesichtsschmerzen bemerkbar macht,
kommt bei Multipler Sklerose bis zu 300 mal häufiger vor, als im Durchschnitt der
Bevölkerung. Das bedeutet, dass 1,5 Prozent der Multiple-Sklerose-Patienten eine
Trigeminusneuralgie bekommen. Weitere Beschwerden im Bereich des Trigeminusnervs sind
Sensibilitätsstörungen sowie Kribbel- und Kältegefühle im Gesicht.
Mehr
zu Schwindel und Störungen des Gleichgewichts
finden Sie hier.
Häufig
kommt es auch zu anderen Zeichen einer Hirnstammschädigung, z. B. zu Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, begleitet von
Übelkeit und Erbrechen. Diese
drücken sich meistens durch Gangunsicherheit und eine Neigung zum Fallen aus. Auch
Schwindel, bei dem es zu einer Art Taumeligkeit kommt, zeigt sich häufig. Klassische
Formen des Dreh- und Schwankschwindels und akute Schwindelattacken sind dagegen seltener.
Hörstörungen
In
einigen Fällen, bei etwa 2 Prozent der Betroffenen, kann es auch zu Hörstörungen bis
hin zur Taubheit kommen. Hier wird oft eine Ohrerkrankung
vermutet. Auch Heiserkeit und Schluckstörungen sind mögliche Symptome.
Zerebelläre
Symptome sind Zeichen einer Schädigung im Kleinhirn (Zerebellum = Kleinhirn) Sie
sind bei Multipler Sklerose sehr häufig und betreffen 75 Prozent der Patienten. Ein
besonders hervorstechendes Symptom sind die Störungen der Bewegungsabläufe, die als
Ataxie bezeichnet werden und bei etwa drei Viertel aller Patienten auftreten. Insbesondere
der Gang ist unsicher, schwankend und zudem oft breitbasig. Die Betroffenen neigen zum
Hinfallen. Auch der Stand bereitet oft Probleme.
Intentionstremor
Es
kann zu einem starken Zittern der Arme bzw. Hände kommen, das sich bei Zielbewegungen, z.
B. dem Ergreifen eines Gegenstandes, verstärkt. Diese Erscheinung nennt sich
Intentionstremor.
Dysdiadochokinese
Oft
tritt zusammen mit den Bewegungsstörungen eine Beeinträchtigung der
Bewegungskoordination auf. Die Patienten verlieren die Fähigkeit, schnell
aufeinanderfolgend gegensätzliche Bewegungen auszuführen, z. B. schnell hintereinander
den Arm aus- und einwärts zu drehen. In der Fachsprache nennt sich diese Erscheinung
Dysdiadochokinese.
Sprachstörungen
Auch
auftretende Sprachstörungen beruhen auf einer Schädigung der nervalen Sprachmotorik im
Kleinhirn. Diese Schädigung wird als Dysarthrie bezeichnet. Betroffene sprechen nicht
mehr so flüssig. Die Sprache ist oft abgehackt und verwaschen. Die Patienten leiden
häufig sehr unter diesen Störungen, weil die Sprache für sie das wichtigste Mittel ist,
mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.
Pyramidenbahnsymptome und/oder Paresen treten bei Plaques im Rückenmark auf. Krankheitszeichen bestehen
insbesondere in motorischen Störungen, wie teilweisen Lähmungserscheinungen (=Paresen)
und einer erhöhten Muskelspannung, die mit Steifigkeit verbunden ist (Spastik). Zu Beginn
der Erkrankung kommt es häufig zu rascher Ermüdbarkeit, Schwere und Spannungsgefühlen
in den Beinen sowie Stolpern. Auch eine Spitzfußstellung und spastische Lähmungen lassen
sich beobachten. Insbesondere die Spastik ist ein für die Multiple Sklerose typisches
Symptom. Unter "Spastik" versteht man eine erhöhte, die Beweglichkeit erheblich
einschränkende Muskelspannung. Zudem tritt oft eine Störung der Feinmotorik mit daraus
resultierender Ungeschicklichkeit auf.
Fußklonus
und Babinski Zeichen.
Bei
der neurologischen Untersuchung zeigen sich gesteigerte Reflexe. Zum Beispiel kommt
es beim Auslösen des Reflexes an der Achillessehne zu unwillkürlichen rhythmischen
Zuckungen des Fußes, dem Fußklonus. Auch finden sich fast immer Pyramidenbahnzeichen,
wie das Babinski-Zeichen, bei dem beim Bestreichen der Fußsohle eine unwillkürliche
Streckung der Großzehe zum Kopf hin erfolgt.
Überprüfen
der Diagnose bei fehlenden Symptomen.
Ist
die Diagnose Multiple Sklerose gestellt worden und treten auch bei längerer
Krankheitsdauer Pyramidenbahnsymptome nicht hervor, so sollte die Diagnose überprüft
werden.
Auch
Empfindungsstörungen können Zeichen einer Schädigung durch Multiple Sklerose sein. Sie
treten schon in einem sehr frühen Stadium der Krankheit bei etwa 42 Prozent der
Betroffenen insbesondere an den unteren Extremitäten auf. Möglich sind u.a.:
Missempfindungen,
Kribbeln,
Taubheitsgefühle,
Kälte- oder Wärmeempfindungen,
Gürtel-, Spannungs- oder Druckgefühle,
Empfindlichkeit gegenüber Berührungen,
Schmerzempfinden bei leichten Berührungen,
herabgesetztes Vibrations- und Lagerempfinden,
Beeinträchtigung der Oberflächensensibilität, evt. auch
der Schmerzempfindlichkeit.
Lhermitte-Zeichen
In
diesen Bereich fällt auch das Lhermitte-Zeichen: Bei starkem Vorbeugen des Kopfes tritt
ein elektrisierendes Gefühl auf, das vom Genick über die Schultern und die Wirbelsäule
bis zu den Armen und Beinen ziehen kann.
Schon
beim ersten Krankenhausaufenthalt kommt es bei Multipler Sklerose in 20 Prozent der Fälle
zu ersten Störungen der Blasenfunktion. Schwere Blasenfunktionsstörungen bis hin zur Inkontinenz sind meistens erst im
späteren Krankheitsverlauf zu finden.
Probleme
bei der Blasenentleerung.
Die
meisten Betroffenen leiden unter so genannten Miktionsstörungen: sie haben Probleme, die
Blase zu entleeren. Diese Störung kommt bei der Hälfte aller Multiple-Sklerose-Patienten
irgendwann im Verlauf der Erkrankung vor. Der Beginn der Blasenentleerung kann verzögert
sein, nach dem Wasserlassen kann eine zu große Menge Restharn in der Blase verbleiben.
Das birgt das Risiko einer Harnwegsentzündung.
Imperativer
Harndrang.
Besonders
charakteristisch ist der so genannte imperative Harndrang. Dabei werden häufig kleinere
Mengen Urin entleert. Die Patienten spüren einen kaum beherrschbaren Drang, die Blase zu
entleeren und können dann die Blasenentleerung nicht mehr willkürlich kontrollieren. Das
führt nicht selten zum Einnässen. Bei der "Reflexblase" entleert sich die
Blase automatisch, wenn sie eine bestimmte Menge Urin enthält. Die Blasenentleerung kann
durch Druck auf die Blase oberhalb des Schambeins oder durch Bestreichen der
Oberschenkelinnenseite ausgelöst werden.
Neigung
zu Verstopfung.
Multiple-Sklerose-Patienten
neigen zu Verstopfungen (Obstipation).
Diese Neigung wird allgemein verstärkt durch Bewegungsmangel. Häufig kommt ein
Missbrauch von Abführmitteln hinzu, der
die Verstopfung noch verstärkt.
Im
Zusammenhang mit Multipler Sklerose muss im Bereich der psychischen Störungen bzw. der
psychischen Beeinträchtigungen eine wichtige Unterscheidung getroffen werden. Zum einen
sind Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen, die eine Reaktion auf die Erkrankung
darstellen, nur allzu verständlich. Zum anderen können aber die organischen
Veränderungen bei Multipler Sklerose auch Auswirkungen auf die Psyche haben.
Auswirkungen
reaktiver Störungen.
Als
reaktive psychische Störungen kann man insbesondere depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen,
Überempfindlichkeit und Gereiztheit ansehen, die alle mit der Gefühlswelt des
Betroffenen verbunden sind. Hier wird häufig mit Hilfe von psychotherapeutischen
Gesprächen und einer antidepressiven Medikation versucht, auf das Wohlbefinden des
Patienten Einfluss zu nehmen.
Kognitive
Leistungseinbußen.
Insbesondere
bei schweren chronisch-progredienten Verläufen der Multiplen Sklerose kann es aber auch
zu psychischen Ausfallerscheinungen kommen, die schwere kognitive (geistige)
Leistungseinbußen bis hin zur Demenz hervorrufen
können. Auch eine allgemeine seelische Labilität sowie eine ängstliche Grundstimmung
lassen sich beobachten. Bei einigen Betroffenen zeigt sich sogar eine euphorische
Stimmungslage.
Psychose
als Zeichen einer Multiplen Sklerose.
Psychische
Veränderungen können auch als Erstsymptom einer Multiplen Sklerose auftreten. Dann sind
sie häufig mit Hirnstammsymptomen verbunden. Auch psychoseartige Krankheitsbilder sind schon als
Ersterscheinung bei Multipler Sklerose aufgetreten.