Der
Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat in seiner Sitzung am 14. August 1990
folgende Richtlinien zur künstlichen Befruchtung beschlossen: Die vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 27
a Abs. 4 i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 des5. Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
beschlossenen Richtlinien bestimmen die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen. Art
und Umfang der den gesetzlichen Erfordernissen des § 27 a Abs. 1 SGB V entsprechenden
ärztlichen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche
Befruchtung.
A. Leistungsvoraussetzungen
B. Methoden
C. Medizinische Indikationen
D. Umfang der Maßnahmen
E. Beratung des Ehepaares und Überweisung zur
Durchführung der Maßnahmen
F. Berechtigte Ärzte
G. Inkrafttreten
Leistungsvoraussetzungen
1. Ärztliche Maßnahmen nach diesen Richtlinien sind nur
durchzuführen, wenn die Maßnahmen zur Herstellung derEmpfängnisfähigkeit nach § 27
SGB V (z. B. Fertilisierungsoperation, alleinige hormonelle Stimulation), die nicht
Gegenstand dieser Richtlinien sind, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, nicht
durchführbar oder nicht zumutbar sind.
2. Leistungen zur künstlichen Befruchtungen nach diesen
Richtlinien werden nur gewährt, wenn sie im homologen System durchgeführt werden, wenn
also die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet
sind. Es dürfen ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Nach
Geburt eines Kindes besteht - sofern die sonstigen Voraussetzungen nach diesen Richtlinien
gegeben sind - erneut ein Anspruch auf Herbeiführen einer Schwangerschaft durch
künstliche Befruchtung. Nach einer Sterilisation besteht grundsätzlich keinAnspruch auf
Leistungen der künstlichen Befruchtung. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung durch die
Krankenkasse.
3. Die Krankenkasse ist nur für diejenigen Leistungen
zuständig, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Hierzugehören im Rahmen der
Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ggf. erforderliche Leistungen beim Ehegatten des
Versicherten nicht, wenn dieser nicht bei derselben Krankenkasse versichert ist. Für die
Maßnahmen im Zusammenhang mit der Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der
Kapazitation, des männlichen Samens sowie für den HIV-Test beim Ehemann ist die
Krankenkasse des Ehemannes leistungspflichtig. Für die Beratung des Ehepaares nach Nr. 14
sowie für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von
Eizellen und Samenzellen ist die Krankenkasse der Ehefrau zuständig, sofern beide
Ehegatten gesetzlich krankenversichert sind.
4. Die Maßnahmen nach diesen Richtlinien umfassen solche
Leistungen nicht, die über die künstliche Befruchtung hinausgehen - wie etwa die
Kyrokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten
Embryonen.
5. Diese Richtlinien gelten ausschließlich für ambulant
durchgeführte ärztliche Maßnahmen durch zugelassene Ärzte, ermächtigte Ärzte oder
ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen, denen die zuständige Behörde gemäß §
121 a SGB V eine Genehmigung zur Durchführung der betreffenden Maßnahmen erteilt hat.
Die ärztlichen Maßnahmen zurkünstlichen Befruchtung sollen - soweit möglich - ambulant
durchgeführt werden. Soweit ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung im Rahmen
von Krankenhausbehandlung durchgeführt werden, gelten die Bestimmungen gemäß § 112
Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB V.
6. Voraussetzungen für die Durchführung von Maßnahmen
zur künstlichen Befruchtung nach diesen Richtlinien ist, daß beide Ehegatten zum
Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen HIV- negativ sind und daß bei der Frau ein
ausreichender Schutz gegen Rötelninfektion besteht.
7. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach den Nrn.
10.2, 10.3 und 10.4 dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Ehegatten zuvor von einem
Arzt, der die Maßnahmen nicht selbst durchführt, über die medizinischen, psychischen
und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung beraten worden sind (Nr. 14) und sie an
einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen worden sind, die zur
Durchführung dieser Maßnahmen berechtigt sind (Nr. 16). Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung können insofern nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden.
8. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dürfen nur
durchgeführt werden, wenn hinreichende Aussicht besteht, daß durch die
gewählteBehandlungsmehthode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Eine hinreichende
Erfolgsaussicht besteht für die jeweiligen Behandlungsmaßnahmen in der Regel dann nicht,
wenn sie bei der Insemination im Spontanzyklus (Nr. 10.1) bis zu achtmal, bei der
Insemination nach hormoneller Stimulation (Nr. 10.2) bis zu sechsmal, bei der In-vitro-
Fertillisation (Nr. 10.3) bis zu viermal, beim intratubaren Gameten-Transfer (Nr. 10.4)
bis zu zweimal, vollständig durchgeführt wurden, ohne daß eine klinisch nachgewiesene
Schwangerschaft eingetreten ist. Darüberhinausgehende Behandlungsversuche bedürfen der
Genehmigung durch die Krankenkasse. Sofern eine Indikation sowohl nach Nr. 11.3 für
Maßnahmen zur In-vitro- Fertilisation als auch nach Nr. 11.4 für Maßnahmen zum
intratubaren Gameten- Transfer vorliegt, so dürfen die betreffenden Maßnahmen
grundsätzlich nur alternativ, d.h.entweder die Maßnahmen zur In-vitro- Fertilisation
oder die Maßnahme zum intratubaren Gameten-Transfer,durchgeführt werden. Ausnahmen
bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkasse. Bei der In-vitro- Fertilisation nach Nr.
10.3 gelten die Maßnahmen als vollständig durchgeführt, wenn die Eizellkultur angesetzt
worden ist. Bei der In-vitro- Fertilisation besteht im übrigen - abweichend von der zuvor
genannten Zahl - eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits nach zweimaliger vollständiger
Durchführung der Maßnahmen dann nicht, wenn in beiden Fällen eine Befruchtung nicht
eingetreten ist und sich bei der Analyse der hierfür maßgeblichen Ursachen erkennen
läßt, daß eine In-vitro- Fertilisation nicht möglich ist.
9. Da das Alter der Frau im Rahmen der
Sterilitäsbehandlung einen limitierenden Faktor darstellt, sollen Maßnahmen zur
künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, nicht
durchgeführt werden. Ausnahmen sind nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der
Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt hat.
Methoden
10. Ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
gemäß § 27 a SGB V kommen im Rahmen folgender Verfahren zum Einsatz:
10.1 intrazervikale, intrauterine oder intratubare
Insemination im Spontanzyklus, ggf. nach Ovulationstiming - ohne Polyovulation (drei oder
mehr Follikel),
10.2 intrazervikale, intrauterine oder intratubare
Insemination nach hormoneller Stimulation zur Polyovulation (drei und mehr Follikel),
10.3 In-vitro- Fertilisation (IVF) mit Embryo-Transfer
(ET), ggf. als Zygoten-Transfer oder als intratubarer Embryo-Transfer (EIFT =
Embryo-Intrafallopian-Transfer),
10.4 intratubarer Gamenten-Transfer (GIFT).
Medizinische Indikationen
11. Als medizinische Indikationen zur Durchführung von
ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gelten:
11.1 Für die Insemination nach Nr. 10.1:
somatische Ursachen (z. B. Impotentia coeundi,
retrogadeEjakulation, Hypospadie, Zustand nach Konisation, Dyspareunie), gestörte
Spermazoten-Mukus-Interaktion, Subfertilität des Mannes, immunologisch bedingte
Sterilität
11.2 Für die Insemination nach Nr. 10.2:
Subfertilität des Mannes, Immunolgisch bedingte
Sterilität Homologe Inseminationen nach Nr. 10.2 sollen - von medizinisch begründeten
Ausnahmefällen (z. B. bestimmte Formen der Subfertilität des Mannes) abgesehen wegen des
Risikos hochgradiger Mehrlingsschwangerschaft nur durchgeführt werden, wenn nicht mehr
als drei Follikel gereift sind.
11.3 Für die In-vitro- Fertilisation (IVF) mit - ggf.
intratubarem - Embryo-Transfer (ET bzw. EIFT):
Zustand nach Tubenamputation, anders (auch
mikrochirurgisch) nicht behandelbarer Tubenverschluß, anders nicht behandelbarer tubarer
Funktionsverlust, auch bei Endometriose, idiopathische (unerklärbare) Sterilität, sofern
- einschließlich einer psychologischen Exploration - alle diagnostischen und sonstigen
therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind,
Subfertilität des Mannes, sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10. 2 keinen Erfolg
versprechen oder erfolglos geblieben sind, immunologisch bedingte Sterilität, sofern
Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind.
11.4 Für den intratubaren Gameten-Transfer (GIFT):
anders nicht behandelbarer tubarer Funktionsverlust, auch
bei Endometriose, idiopathische (unerklärbare) Sterilität, sofern - einschließlich
einer psychologischen Exploration - alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen
Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind, Subfertilität des Mannes,
sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos
geblieben sind.
Umfang der Maßnahmen
12. Im einzelnen kommen im Zusammenhang mit der
Duchführung der Maßnahmen nach den Nrn. 10.1 bis 10.4 - je nach gewählter Methode -
folgende Leistungen in Betracht:
12.1 Untersuchung auf HIV- Antikörper bei beiden
Ehegatten sowie auf HbsAg bei der Frau.
12.2. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Untersuchung und
der Aufbereitung - ggf. einschließlich der Kapazitation - des männlichen Samens.
12.3 Durchführung der hormonellen Stimulationsbehandlung
(nur bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.2, 10.3 und 10.4)
12.4 Laboratoriumsmedizinische Bestimmungen von
luteinisierendem Hormon, Östradiol und Progesteron.
12.5 Sonographische Untersuchungen
12.6 Ultraschallgezielte laparoskopische Eizellenentnahme
(nur bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.3 und 10.4)
12.7 Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung
von Eizellen und Samenzellen, einschließlich der mikroskopischen Beurteilung der
Reifestadien der Eizellen (bei Maßnahmen nach Nr. 10.4) oder der Eizellkultur bei
Maßnahmen nach Nr. 10.3)
12.8 Insemination (bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.1 und
10.2),Embryo-Transfer (bei Maßnahmen nach Nr. 10.3) und intratubarer Gameten-Transfer
(bei Maßnahmen nach Nr. 10.4).
Beratung des Ehepaares und Überweisung zur
Durchführung der Maßnahmen
13. Die Beratung des Ehepaares soll - bei Vorliegen der
übrigen leistungsrechtlichen Voraussetzungen - erst durchgeführt werden, wenn zuvor
unter Einsatz diagnostischer und ggf. therapeutischer Maßnahmen das Vorliegen einer in
Nr. 11 genannten medizinischen Indikation gesichert worden ist. Sofern der die Indikation
stellende Arzt nicht mit dem beratendenArzt identisch ist, soll die Beratung nach Nr. 7
aufgrund einer entsprechenden Überweisung des die Indikation stellenden Arztes in
Anspruch genommen werden.
14. Die Beratung nach Nr. 7 soll sich gezielt auf die
individuellen medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung
beziehen. Dabei sollen nicht nur die gesundheitlichen Risiken und die Erfolgsquote der
Behandlungsverfahren angesprochen, sondern auch die körperlichen und seelischen
Belastungen insbesondere für die Frau sowie mögliche Alternativen zum eigenen Kind (z.
B. Adoption) eingehend erörtert werden. 15. Über die erfolgte Beratung ist eine
Bescheinigung auszustellen, die zusammen mit der Überweisung dem Arzt vorgelegt werden
soll, der die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchführt.
Berechtigte Ärzte
16. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach diesen
Richtlinien dürfen nur solche zugelassenen Ärzte, ermächtigte Ärzte oder ermächtigte
ärztlich geleitete Eirichtungen erbringen, denen die zuständige Behörde gemäß § 121
a SGB V eine Genehmigung zur Durchführung dieser Maßnahmen erteilt hat. Dies gilt bei
Inseminationen nur dann, wenn sie nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden, bei
denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit 3 oder mehr Embryonen
besteht.
17. Homologe Inseminationen ohne vorangegangene
Stimulationsbehandlung (Nr. 10.1) dürfen nur von solchen Ärzten durchgeführt werden,
die zur Führung der Gebietsbezeichnung "Frauenarzt" berechtigt sind.
18. Regelungen in ärztlichen Berufsordnungen zur
Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bleiben unberührt.
19. Beratungen nach Nr. 14 dürfen nur von Ärzten, die
zum Führen der Gebietsbezeichnung "Frauenarzt" berechtigtsind, sowie von
solchen anderen Ärzten durchgeführt werden, die über spezielle Kenntnisse auf dem
Gebiet der Reproduktionsmedizin verfügen. Voraussetzung für die Durchführung von
Beratungen nach Nr. 14 ist ferner der Nachweis zur Berechtigung zur Teilnahme an der
psychosomatischen Grundversorgung.
Inkrafttreten
20. Die Richtlinien treten am 1. Oktober 1990 in Kraft
und gelten für alle Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung, die nach dem 1. Oktober 1990
eingeleitet werden, wobei für die Verfahren nach den Nrn. 10.2 bis 10.4 die Beratung nach
Nr. 14 als Beginn der Maßnahmen anzusehen ist.
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