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Biorhythmus und Arzneimittel
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Die "Innere Uhr" spielt eine wichtige Rolle
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Die Lehre, die sich mit dem menschlichen Biorhythmus im Zusammenhang mit
Arzneimitteln beschäftigt, ist die Chronopharmakologie. Der Organismus des Menschen ist
in vielen Bereichen so aufgebaut, dass er einem bestimmten Rhythmus folgt, der sich immer
wiederholt. Biologische Funktionen, die einem Tag-Nacht-Rhythmus folgen sind z. B. der
Blutdruck, die Pulsfrequenz, die Körpertemperatur oder die Ausschüttung der Glukokortikoide
in der Nebennierenrinde.
Biorhythmen bestimmen, wann im Körper sich welche Vorgänge abspielen; wann welche
Hormone ausgeschüttet werden und wann die Müdigkeit einsetzt (vgl. Sommerzeit - "Winterzeit" -
Zeitumstellung). |
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Auf diese inneren Abläufe hat der Mensch so gut wie keinen Einfluss. Sie
sind genetisch vorgeschrieben. Wer kann, sollte nach Möglichkeit dem Ticken seiner
inneren Uhr folgen, und nach ihr leben. Ist dies aufgrund von bestimmten
Lebensbedingungen, wie z.B. Schichtarbeit, nicht
möglich, so stellt sich meistens nach einer Zeit der Umgewöhnung ein eigener Rhythmus
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Es gibt verschiedene Rhythmen
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Die Schwankungen der verschiedenen Körperfunktionen spielen sich in
Zeiträumen von Minuten, Tagen oder Monaten ab, wobei der Tag-Nacht-Rhythmus überwiegt:
- zirkadiane Rhythmen = Tag-Nacht-Rhythmen, 24-Stunden-Rhythmen
- zirkamensuelle Rhythmen = Monatsrhythmen
- zirkaannuale Rhythmen = Jahresrhythmen
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Gesteuert werden die regelmäßigen Abläufe von äußeren Faktoren, wie
z.B. dem Licht oder inneren Faktoren wie z.B. den Hormonen. Der Menstruationszyklus und
Pulsschwankungen unterliegen ebenso der inneren Uhr wie der Schlaf-Wach-Rhythmus. Eine bekannte
zirkaannuale Befindlichkeitsstörung ist die Winterdepression. |
Temperatur, Puls, Blutdruck, Lunge, Niere und Hormone unterliegen
täglichen Rhythmen
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Die Auswirkungen des zirkadianen Rhythmus sind wegen seiner großen
Bedeutung am ausführlichsten untersucht. Die Untersuchungen beziehen sich auf
Schwankungen u.a. der Körpertemperatur, des Pulses, des Blutdrucks, der Lungen- und
Nierenfunktion und der Hormonkonzentrationen während der einzelnen Tageszeiten. Am
frühen Nachmittag steigt z.B. der Blutdruck an und erreicht zu dieser Zeit seinen
Tageshöchstwert. Die Leberdurchblutung ist zu dieser Tageszeit dagegen sehr gering. Jetzt
werden Arzneimittel nur langsam verstoffwechselt (vgl. Biliäre Ausscheidung von Arzneimitteln). |
Krankheiten können auch Zeitplänen folgen
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Aber nicht nur die normalen Körperfunktionen laufen nach einem bestimmten
Zeitplan ab, auch Krankheiten unterliegen gewissen Regelmäßigkeiten.
- Die Gefahr, einen Herzinfarkt zu
erleiden, ist besonders hoch in den Stunden zwischen 8 Uhr morgens und 12 Uhr mittags. Um
4 Uhr morgens werden Asthmaanfälle
häufiger beobachtet, als zu anderen Tageszeiten. Deshalb werden Medikamente gegen Asthma
auch bevorzugt abends eingenommen, um das Risiko eines Anfalls möglichst gering zu
halten.
- Die rheumatoide Arthritis zeigt über den Tag
verschiedene Beschwerdegrade. Zum Abend hin verbessern sich die Symptome wie
Gelenksteifigkeit und geschwollene Gelenke deutlich.
- Gegen 14 Uhr ist das Schmerzempfinden nur
schwach ausgeprägt - abends oder nachts dagegen stärker.
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Arzneistoffe wirken tageszeitlich unterschiedlich
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Auch viele Arzneistoffe wirken je nach Tageszeit unterschiedlich. Dies
beruht auf den jeweiligen körperlichen Vorgängen, die zu einer bestimmten Zeit ablaufen.
Schmerzmittel und örtliche Betäubungsmittel wirken länger, wenn sie am frühen
Nachmittag verabreicht werden, als am frühen Morgen oder abends. Die Leberdurchblutung
ist zu dieser Zeit gedrosselt, so dass der Abbau der schmerzstillenden Substanzen nur
langsam erfolgt und die Wirkung dementsprechend länger anhält. |
Beispiel ASS
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Es ist erwiesen, dass die Acetylsalicylsäure, ein nichtsteroidales
Antirheumatikum (NSAR) am Abend eine
weniger magenschleimhautschädigende Wirkung besitzt, weshalb die abendliche Einnahme
vorzuziehen ist. |
Beispiel Kortison
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Wie wichtig das richtige Abstimmen der Einnahmezeiten auf den menschlichen
Organismus ist, zeigt sich am Beispiel der Kortisontherapie. Im Laufe eines Tages kommt es
zu deutlichen Schwankungen in der körpereigenen Kortisonproduktion.
Maximale Werte werden morgens zwischen 6 Uhr und 9 Uhr erreicht. Gegen Mitternacht
produziert der menschliche Körper am wenigsten Kortison. Werden Kortisone aus
therapeutischen Gründen zugeführt, z.B. bei Entzündungen oder als Immunsuppressivum
nach Organtransplantationen, so geschieht dies in der Regel morgens, zeitgleich mit der
körpereigenen Kortisonproduktion. Da zu diesem Zeitpunkt der Kortisonspiegel seinen
Höchstwert aufweist, wird das zugeführte Kortison weniger vom Körper wahrgenommen, als
dies zu späteren Tageszeiten der Fall wäre. Auf diese Weise lassen sich die Nebenwirkungen verringern. |
Beispiel Betablocker
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Einige Bluthochdruckmedikamente, z.B. Betablocker, hemmen die
während des Tages gesteigerte Sympathikusaktivität.
Ihre Wirkung kann sich deshalb tagsüber vollständig entfalten. Nachts hingegen
überwiegt der Parasympathikus,
weshalb zu dieser Zeit der Blutdruck und der Puls abfallen. Ein Betablocker würde jetzt
nicht von Nutzen sein. |
Beispiel H2-Antihistaminika
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Die Erkenntnis der Wechselwirkungen zwischen Biorhythmus und
Arzneimittelwirkung ist auch bei den H2-Antihistaminika von Bedeutung.
Sie werden bei Magenbeschwerden eingesetzt, um die Säureproduktion zu verringern. Es
wurde festgestellt, dass die Magensäuresekretion beim Menschen einen bestimmten Rhythmus
aufweist. Sie erreicht dabei abends ihren maximalen Wert. Deshalb ist die einmal tägliche
Einnahme von säureneutralisierenden Arzneimitteln abends sinnvoll und oft ausreichend.
Früher war es üblich, die Einnahme mehrmals täglich über den Tag zu verteilen.
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