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Körperliche Untersuchung bei Beschwerden der Wirbelsäule
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Untersuchung der Wirbelsäule
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Nach der Erhebung der Anamnese ist die
körperliche Untersuchung dran. Bei Beschwerden an der Wirbelsäule richtet sich das
Hauptaugenmerk auf zwei wichtige Aspekte: Die Funktionalität Wirbelsäule als Teil des
Skelettsystems und die in ihrem Inneren, im Wirbelkanal, verlaufenden Strukturen. Das sind
Rückenmark und Rückenmarksnerven. |
Die Körperhaltung ist wichtig.
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Der erste Aspekt bei der Untersuchung der Wirbelsäule ist die äußere
Betrachtung des Betroffenen. Dazu stellt sich der Betroffene hin. Der Arzt muss jetzt
darauf achten, ob der Betroffene eine anatomisch normale Haltung und Stellung einnimmt. |
Von hinten und von der Seite hat die Wirbelsäule ein
charakteristisches Aussehen.
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Bei einem gesunden Menschen zeigt sich bei der Betrachtung von der Seite
die charakteristische doppelt s-förmige
Krümmung der Wirbelsäule. Im Bereich von Hals- und Lendenwirbelsäule biegt
sich die Wirbelsäule zur Körpervorderseite hin (konkave Krümmung). Die
Brustwirbelsäule sowie von Kreuz- und Steißbein zeigen eine Biegung zur
Körperrückseite (konvexe Krümmung). Bei der Betrachtung von hinten bildet eine gesunde
Wirbelsäule eine Gerade, die keine seitliche Abweichung nach links oder rechts zeigt. |
Der Finger- Boden- Abstand gibt Aufschluss
über die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule.
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Als nächstes wird die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule überprüft.
Gleichzeitig wird der Arzt darauf achten, ob bei der Bewegung Schmerzen auftreten, oder
nicht. Dazu fordert der Arzt den Betroffenen auf, sich mit gestreckten Knien so weit nach
vorne zu beugen wie möglich. Dann wird in dieser vornübergebeugten Stellung der Abstand
der Finger zum Boden gemessen. Dieser Wert gibt Aufschlüsse über die Beweglichkeit der
Wirbelsäule. Auch die Beweglichkeit bei der Seitwärts- und Rückwärtsneigung wird
beurteilt. Dabei werden die Winkelgrade gemessen und anhand von Standardwerten beurteilt. |
Schober-Zeichen:
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Die Beweglichkeit kann auch beurteilt werden durch Messen der Abstände in
der Reihe der Dornfortsätze gemessen. Die Dornfortsätze jedes Wirbels zeichnen sich gut
sichtbar unter der Haut ab. Bei Bewegungen verändern sich die Abstände. An der
Lendenwirbelsäule wird im normalen Stand ein Punkt markiert, der 10 Zentimeter über dem
ersten Kreuzbeindornfortsatz liegt. Dann werden die Veränderungen der Messstrecken bei
der Vorwärts- und Rückwärtsneigung gemessen. Diese Untersuchung nennt sich
Schober-Zeichen und ist bei gutachterlichen Prüfungen wichtig. |
Ott-Zeichen:
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Dasselbe gilt für das Ott-Zeichen, dass die Beweglichkeit im Bereich der
Brustwirbelsäule misst. Die Messstrecke beginnt am 7. Halswirbeldornfortsatz und führt
30 Zentimeter in Richtung Steißbein. Auch hier werden die Änderungen der Messstrecke bei
Bewegungen festgehalten. |
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Die Untersuchung des Kreuzbein- Darmbein- Gelenkes erfolgt im Liegen.
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Danach untersucht der Arzt die Beweglichkeit des Kreuzbein- Darmbein- Gelenks. Dazu liegt der
Betroffene auf der Seite und winkelt das untere Bein an. Der Arzt führt dann das
gestreckte obere Bein vorsichtig nach hinten. Dabei liegt seine freie Hand fest auf dem
Kreuzbein. Auf diese Weise findet die Bewegung ausschließlich im Kreuzbein- Darmbein-
Gelenk statt. Bei Entzündungen oder einer Arthrose in diesem Gelenk ist die Beweglichkeit
meistens eingeschränkt und schmerzhaft. |
Bewegungen der Halswirbelsäule lassen sich am besten im Sitzen
untersuchen.
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Um die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zu prüfen, sollte der
Betroffene sitzen. Als erstes bewegt der Betroffene seinen Kopf (und damit auch die
Halswirbelsäule) selbstständig. Er legt den Kopf in den Nacken, nach vorne und zur Seite
und dreht ihn dann zu jeder Seite. So kann der untersuchende Arzt einen groben Eindruck
von der Beweglichkeit der Halswirbelsäule gewinnen. Anschließend bewegt der Arzt
vorsichtig den Kopf des Betroffenen mit seinen Händen, um die Beweglichkeit exakt zu
erfassen. |
"Klopfzeichen" lösen bei vielen
Erkrankungen Schmerzen aus.
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Natürlich wird schon bei der Überprüfung der Beweglichkeit darauf
geachtet, ob Bewegungen Schmerzen verursachen, oder nicht. Als nächstes aber wird die
Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäulenknochen und der Rückenmuskulatur getestet. Dazu klopft
der Arzt zunächst über die einzelnen Knochen der Wirbelsäule. Bei vielen
Wirbelsäulenerkrankungen lassen sich in dem betroffenen Bereich Schmerzen auslösen. |
Druckschmerz kann Hinweis auf Entzündung oder Arthrose sein.
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Durch Druck auf die kleinen Wirbelgelenke, der auf jeder Etage seitlich an
der Wirbelsäule liegen, können gelegentlich Schmerzen ausgelöst werden. Dies wird als
Hinweis auf eine Entzündung oder eine Arthrose dieser kleinen Wirbelgelenke gewertet. |
Muskelverspannungen können sehr schmerzhaft sein.
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Anschließend drückt der Arzt über die neben der Wirbelsäule gelegene
Rückenmuskulatur, die sich bei Wirbelsäulenerkrankungen schmerzhaft verspannen kann.
Werden beim Druck auf das Kreuzbein- Darmbein- Gelenk Schmerzen ausgelöst, ist das ein
Hinweis auf eine Entzündung oder eine Arthrose des Gelenks. |
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Untersuchung von Rückenmark und Rückenmarksnerven
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Jede orthopädische Untersuchung muss durch eine neurologische
Untersuchung ergänzt werden.
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Durch Erkrankungen der Wirbelsäule können Rückenmark und
Rückenmarksnerven beeinträchtigt sein. Sie liegen im Wirbelkanal im innerhalb der
Wirbelsäule. Bei Erkrankungen der Wirbelsäule können sie Druck oder Zug ausgesetzt sein
und dadurch Schaden nehmen. Deshalb muss das Nervengewebe bei Wirbelsäulenbeschwerden in
jedem Fall mit untersucht werden. Rückenmark und Rückenmarksnerven nehmen wichtige
Funktionen wahr:
- Sie leiten elektrische Reize an die Muskulatur weiter. Die Muskeln in unserem Körper
bewegen sich nur aufgrund dieser Reize.
- Sie registrieren Reize von außerhalb des Körpers, z. B. Druck, Berührung, Schmerz,
Temperatur. Sie vermitteln außerdem Informationen über die Körperhaltung, z. B.
Gelenkstellung und Muskelspannung. Diese Informationen werden über das Rückenmark an das
Gehirn weiter geleitet.
- Sie steuern vegetative Funktionen, z. B. Blasenentleerung, Darmtätigkeit,
Sexualfunktion, Schweißbildung.
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Das Gang- und Standbild eines Betroffenen ist ein
wichtiger Hinweis.
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Um Schädigungen zu erfassen, wird zunächst die grobe Kraft in den Beinen
überprüft. Dazu beobachtet der Arzt Gang und Stand des Betroffenen. Der Betroffene muss
normal, auf Zehenspitzen, auf den Fersen sowie, wenn möglich, auf einem Bein gehen und
stehen. Auffällige Gangunsicherheiten können - außer durch Deformierungen - durch zwei
Mechanismen entstehen: durch eine Muskelschwäche oder durch eine Beeinträchtigung
derjenigen Rückenmarksfasern, die die Stellung der Gelenke und die Spannung der
Muskulatur an das Gehirn weiterleiten. |
Die Kraft wird durch verschiedene Bewegungsabläufe geprüft.
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Die genauere Kraftprüfung an den Armen lässt Rückschlüsse über das
Rückenmark im Halsbereich zu. Der Betroffene wird zuerst im sitzen untersucht. Er setzt
nacheinander an beiden Armen die einzelnen Muskelgruppen kräftig ein:
- Heben der Arme sowie Heranführen der Arme an den Körper im Schultergelenk,
- Beugen und Strecken der Unterarme im Ellbogengelenk,
- Beugen und Strecken der Hände im Handgelenk,
- Beugen und Strecken der Finger in den Fingergrundgelenken sowie Faustschluss.
Um die Kraft des Betroffenen beurteilen zu können, hält der Arzt jeweils mit seiner
eigenen Muskelkraft gegen die Bewegung des Patienten.
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Der Arzt hält mit seiner eigenen Kraft dagegen.
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Die Kraftprüfung an den Beinen wird entsprechend am liegenden Menschen
durchgeführt. Der Betroffene bewegt wieder kräftig die einzelnen Muskelgruppen:
- Beugung im Hüftgelenk,
- Beugung und Streckung im Kniegelenk,
- Heben und Senken der Füße sowie der Zehen bzw. nur der Großzehen.
Bei eingetretenen Nervenschäden kann die Kraft in einzelnen Muskelgruppen herabgesetzt
sein.
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"Blinde Flecken" zeigen dem Arzt,
welcher Nerv geschädigt ist.
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Im nächsten Schritt wird die Empfindungsfähigkeit überprüft. Dazu
streicht der Arzt locker mit den Händen über die Haut des Betroffenen. Dieser wird
aufgefordert, Regionen herabgesetzter Empfindungsfähigkeit anzugeben. Bei der Schädigung
von Rückenmark oder Rückenmarksnerven kann die Empfindungsfähigkeit in einzelnen
Regionen herabgesetzt sein. |
Die Prüfung nach Laségue ist Standard.
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Bei einer Beeinträchtigung von Rückenmarksnerven im Lendenwirbelbereich
kann es zu Nervendehnungsschmerzen kommen. Zur Überprüfung hebt der Arzt das gestreckte
Bein des auf dem Rücken liegenden Betroffenen vorsichtig an (Prüfung nach Lasègue).
Normalerweise kann das Bein fast bis in den rechten Winkel angehoben werden. Bei einem
Nervendehnungsschmerz gibt der Betroffene bereits früher Schmerzen an, die vom Rücken
aus in das Bein strahlen. Das Laségue-Zeichen ist eines der wichtigsten Hinweise bei
einem Bandscheibenvorfall der
Lendenwirbelsäule und bei einer Entzündung des Ischiasnervs. |
Das Bragard-Zeichen gibt Hinweis auf eine Muskelverkürzung.
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Um zu testen, ob frühe Schmerzen durch eine verkürzte Muskulatur
ausgelöst werden, kann der Arzt zusätzlich die Fußspitze des Betroffenen in Richtung
Schienbein ziehen. Das geschieht meistens in einem Winkel von etwa 70 Grad. Dieser Test
nennt sich Bragard-Zeichen. Bei einer Muskelverkürzung wird dabei der
Nervendehnungsschmerz verstärkt. |
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Reflexe
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Gesunde Reflexe müssen rechts und links gleich stark sein.
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Danach prüft der Arzt die so genannten Muskeleigenreflexe. Die Reflexe
geben bei einer Schwächung Hinweise auf eine Schädigung der jeweiligen Nervenwurzel, die
den Muskel versorgt. Zur Prüfung klopft der Arzt mit einem kleinen Hämmerchen
(Reflexhammer) vorsichtig auf bestimmte Sehnen an den Armen und Beinen des Betroffenen.
Durch den Schlag wird der zugehörige Muskel minimal verkürzt. Er reagiert darauf mit
einer sichtbaren Bewegung. Reflexe werden immer auf der rechten und auf der linken
Körperseite überprüft. Bei einer Schädigung des Nervengewebes kann es vorkommen,
dass einzelne Reflexe in ihrer Intensität Seitenunterschiede aufweisen oder sogar
vollkommen erloschen sind. |
Die Sehnen sind am Knochen befestigt und übertragen die Kraft vom
Muskel auf das Skelett.
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Im Einzelnen werden folgende Muskeleigenreflexe überprüft:
- Bizepssehnenreflex. Die Sehne des Bizepsmuskels ist in der Ellenbeuge bei kräftiger
Beugung des Unterarms zu tasten.
- Trizepssehnenreflex. Die Sehne des Trizepsmuskels befindet sich an der Rückseite des
Oberarms, unmittelbar oberhalb des Ellbogengelenks.
- Radiusperiostreflex. Hier wird direkt auf den Speichenknochen des Unterarms geklopft.
Als Reaktion kann eine leichte Beugung des Unterarms beobachtet werden.
- Patellarsehnenreflex. Die kräftige Patellarsehe ist deutlich zwischen Kniescheibe und
Unterschenkelknochen tastbar.
- Achillessehnenreflex. Die Achillessehne verbindet den Wadenmuskel mit dem Fersenknochen.
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"Bauchkitzeln" als ärztliche Untersuchung.
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Die Bauchhautreflexe gehören zu den so genannten Fremdreflexen. Im
Unterschied zu den Muskeleigenreflexen sind dabei mehrere Etagen des Rückenmarks
beteiligt. Um die Bauchhautreflexe zu prüfen, streicht der Arzt bei einem entspannt auf
dem Rücken liegenden Menschen mit einem Holzstäbchen beiderseits auf drei Höhen
über die Bauchhaut. Als Reaktion ist ein Zucken der Bauchmuskulatur zu beobachten. Bei
einer Schädigung des Rückenmarks können Seitenunterschiede auffallen. |
Der ausgelöste Babinski- Reflex ist bei Erwachsenen immer
pathologisch.
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Als klassischer pathologischer Reflex bei Erwachsenen wird der
Babinski-Reflex geprüft. Dieser Reflex kommt natürlich nur im Säuglingsalter vor. Er
verschwindet im Laufe der kindlichen Entwicklung. Bei einer Rückenmarksschädigung kann
der Babinski-Reflex dann beim Erwachsenen wieder auftreten. Zur Prüfung dieses Reflexes
streicht der Arzt mit dem Stiel des Reflexhammers über die Fußaußenkante. Wenn der
Reflex ausgelöst werden kann, wird als Reflexantwort ein Heben der Großzehe beobachtet.
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